Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsarztrecht: Honorarkürzung wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise im Bereich des Gesamtfallwerts. verfristete Klageerhebung
Orientierungssatz
1.Gerade im Interesse des rechtsungewandten Leistungsbewerbers liegt es, wenn er eine möglichst kurze, übersichtliche und leicht verständliche Rechtsbehelfsbelehrung erhält (vgl. BSG, Urt. v. 11.08.1976 - 10 RV 225/75). Von daher muss auf die Möglichkeit der Klageerhebung in elektronischer Form nicht gesondert hingewiesen werden (a.A. VG Neustadt (Weinstraße), Urt. v. 10.09.2010 - 2 K 156/10.NW; VG Trier, Urt. v. 22.09.2009 - 1 K 365/09).
2.Ist die Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 ZPO - das ist die Ersatzzustellung in der Wohnung oder in Geschäftsräumen durch Übergabe an einen dort anwesenden Angehörigen bzw. Beschäftigten - nicht ausführbar, kann das Schriftstück in einen zu der Wohnung oder dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt werden, die der Adressat für den Postempfang eingerichtet hat und die in der allgemein üblichen Art für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist. Mit der Einlegung gilt das Schriftstück als zugestellt.
3.Angesichts der ständig verbesserten statistischen Auswertung der Abrechnungen (z. B. Gewichtung des Rentneranteils, Beschränkung des Vergleichs auf Ärzte, die die fraglichen Leistungen abrechnen) ist es nicht gerechtfertigt, generell Ärzte mit Fallzahlen oberhalb der Grenze von 20 % des Durchschnitts von der Prüfung nach Durchschnittswerten auszunehmen, wenn ihre Fallzahl die absolute Grenze von 100 nicht erreicht (vgl. BSG, Urt. v. 09.09.1998 - B 6 KA 50/97 R).
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Gerichtskosten und die notwendigen Verfahrenskosten des Beklagten zu tragen. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um eine Honorarkürzung wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise im Bereich des Gesamtfallwerts in den elf Quartalen III/03 bis I/06 in Höhe von insgesamt 27.587,56 EUR quotiert
Der Klägerin ist als praktische Ärztin bzw. jetzt als Fachärztin für Allgemeinmedizin seit 1976 zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen.
In den streitbefangenen Quartalen entwickelten sich die Fallkosten der Klägerin (Kl.) im Vergleich zu ihrer Fachgruppe der Fachärzte für Allgemeinmedizin (VG), gewichtet nach Rentneranteilen, wie folgt:
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III/03 |
IV/03 |
I/04 |
II/04 |
Fallzahl Kl./VG 2 |
85/1.075 |
284/1.109 |
237/1.021 |
136/1.009 |
Rentneranteil in % Kl./VG |
40/33 |
42/32 |
42/32 |
40/33 |
Fallkosten in EUR Kl./VG |
288,31/52,14 |
298,05/53,10 |
396,73/56,81 |
249,80/55,21 |
Überschreitung in EUR |
236,17 |
244,95 |
339.92 |
194,59 |
Überschreitung in % |
453 |
461 |
598 |
352 |
Nr. 17 EBM
Abrechnungshäufigkeit auf 100 Behandlungsfälle
|
|
III/04 |
IV/04 |
I/05 |
II/05 |
Fallzahl Kl./VG |
304/1.024 |
218/1.045 |
193/1.081 |
171/1.032 |
Rentneranteil in % Kl./VG |
50/34 |
46/33 |
45/32 |
44/34 |
Fallkosten in EUR Kl./VG |
421,67/54,41 |
339,91/55,86 |
298,76/55,23 |
284,11/61,59 |
Überschreitung in EUR |
367,26 |
284,05 |
243,53 |
222,52 |
Überschreitung in % |
675 |
509 |
441 |
361 |
Nr. 17 EBM
Abrechnungshäufigkeit auf 100 Behandlungsfälle
|
|
III/05 |
IV/05 |
I/06 |
Fallzahl Kl./VG |
161/1.054 |
179/1.085 |
175/1.091 |
Rentneranteil in % Kl./VG |
44/36 |
39/35 |
35/341 |
Fallkosten in EUR Kl./VG |
368,25/62,45 |
301,69/63,91 |
300,22/65,34 |
Überschreitung in EUR |
305,80 |
237,78 |
234,88 |
Überschreitung in % |
490 |
372 |
359 |
Nr. 17 EBM
Abrechnungshäufigkeit auf 100 Behandlungsfälle
Der Prüfungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen führte aufgrund eines Auswahlverfahrens ein Prüfverfahren für die streitbefangenen Quartale durch.
Der Prüfungsausschuss nahm mit Bescheid vom 09.03.2007 aufgrund der Sitzung am 11.10.2006 eine Honorarkürzung wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise bei den Gesamtleistungen für die Quartale III/03 bis I/05 vor. Im Einzelnen setzte er eine Honorarkürzung im Quartal III/03 vor Quotierung um 45,00 EUR pro Fall bei 265 Gesamtfällen, im Quartal IV/03 um 176,00 EUR bei 284 Gesamtfällen, im Quartal I/04 um 250,00 EUR bei 237 Gesamtfällen, im Quartal II/04 um 110,00 EUR bei 136 Gesamtfällen, im Quartal III/04 um 280,00 EUR bei 304 Gesamtfällen, im Quartal IV/04 um 200,00 EUR bei 218 Gesamtfällen und im Quartal I/05 um 160,00 EUR bei 193 Gesamtfällen fest. Zur Begründung führte er aus, er habe in den Quartalen III und IV/03 jeweils eine repräsentative Einzelfallprüfung durch einen sachverständigen Arzt veranlasst. Dies bedeute, dass jeweils 100 Behandlungsscheine in fortlaufender Reihenfolge, aufgeteilt nach Mitgliedern, Familienversicherten und Rentnern durchgesehen worden seien, um festzustellen, ob die Notwendigkeit der abgerechneten Leistungen in Zusammenhang mit den angegebenen Diagnosen nachvollziehbar seien. Die Klägerin habe in ihrer Stellungnahme vom 04.05.2005 auf ihre geringe Fallzahl mit hohem Anteil von Schwerstbedürftigen der Pflegestufe 2 und 3 hingewiesen. Die Praxisgröße und das Klientel hätten Einfluss auf ihre Behandlungsweise. Es würden vorwiegend multimorbide und demenzkranke Patienten behandelt werden, die...