Entscheidungsstichwort (Thema)
Kassenärztliche Vereinigung Hessen. Honorarverteilungsvertrag. Verbindlichkeit der Vorgaben des Bewertungsausschusses zu Laborleistungen. Anpassung der Regelleistungsvolumina an Vorgaben
Leitsatz (amtlich)
1. Der Bewertungsausschusses hat in seiner 93. Sitzung am 29.10.2004 durch Beschluss in Ziff 4.2 Leistungen des Kapitels 32 EBM (juris: EBM-Ä 2005) von der Einbeziehung in das Regelleistungsvolumen ausgenommen. Diese verbindliche Vorgabe kann nicht durch die Partner des Bundesmantelvertrages aufgehoben werden. Der entsprechende Beschluss in der 78. Sitzung am 16.12.2005 ist rechtswidrig.
2. Der Bewertungsausschuss ist nach den gesetzlichen Vorgaben in § 87 SGB 5 ausdrücklich allein und ausschließlich zur Beschlussfassung über den EBM befugt. Ausnahmen können nur in engen Grenzen zugelassen werden.
3. Die Regelleistungsvolumina im HVV der KV Hessen sind an die Vorgaben des Bewertungsausschusses anzupassen. Dies ist in der Ergänzungsvereinbarung vom 15.9.2011 nicht erfolgt.
Nachgehend
Tenor
1) Der Bescheid vom 18.06.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.11.2007 sowie der Bescheid vom 22.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2008 wird aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
2) Die Beklagte trägt die Gerichtskosten sowie die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über eine Sonderregelung im Rahmen des Regelleistungsvolumens für die Quartale I/06 bis IV/07.
Die Klägerin ist seit dem 28.06.1994 als Fachärztin für Kinderheilkunde und seit dem 29.09.1998 zusätzlich als Fachärztin für Humangenetik zugelassen. Sie führt seit dem 02.01.1995 eine Einzelpraxis und nimmt seit dem 01.10.1998 an der hausärztlichen Versorgung teil. Sie verfügt seit dem 25.09.2001 über eine sog. Doppelzulassung und ist in die Honorar(unter-)gruppe der Ärzte für Humangenetik eingruppiert. Diese Fachgruppe umfasste in den streitgegenständlichen Quartalen insgesamt 7 Ärzte.
Die Klägerin verfügt zudem über die Genehmigung zur Abrechnung von Laborleistungen nach Kapitel 32.3 EBM 2000plus.
Ihre Honorarentwicklung stellt sich seit dem Jahr 2000 wie folgt dar:
|
Quartal/Jahr |
Honorar EK + PK |
I/1999 |
223.331,22 € |
II/1999 |
162.287,38 € |
III/1999 |
178.131,21 € |
IV/1999 |
249.871,23 € |
I/2000 |
201.010,61 € |
II/2000 |
185.115,87 € |
III/2000 |
201.420,96 € |
IV/2000 |
205.465,71 € |
I/2001 |
197.447,38 € |
II/2001 |
185.939,37 € |
III/2001 |
195.999,84 € |
IV/2001 |
208.921,87 € |
I/2002 |
213.087,42 € |
II/2002 |
199.674,78 € |
III/2002 |
185.154,18 € |
IV/2002 |
195.069,94 € |
I/2003 |
238.022,94 € |
II/2003 |
231.633,97 € |
III/2003 |
173.483,17 € |
IV/2003 |
194.027,73 € |
I/2004 |
228.656,66 € |
II/2004 |
216.835,79 € |
III/2004 |
226.576,79 € |
IV/2004 |
235.756,25 € |
I/2005 |
156.656,59 € |
II/2005 |
173.965,61 € |
III/2005 |
273.320,19 € |
IV/2005 |
262.011,36 € |
I/2006 |
290.430,48 € |
II/2006 |
144.023,53 € |
III/2006 |
147.331,02 € |
IV/2006 |
162.922,51 € |
I/2007 |
208.339,92 € |
II/2007 |
152.118,90 € |
III/2007 |
229.901,95 € |
IV/2007 |
235.786,58 € |
I/2008 |
135.379,11 € |
II/2008 |
144.190,51 € |
III/2008 |
120.498,85 € |
IV/2008 |
122.383,96 € |
I/2009 |
188.803,73 € |
I/2009 |
160.647,76 € |
III/2009 |
177.102,45 € |
IV/2009 |
159.774,92 € |
I/2010 |
192.871,78 € |
II/2010 |
173.127,43 € |
III/2010 |
117.103,93 € |
IV/2010 |
158.555,66 € |
Die Klägerin beantragte am 23.06.2006 eine Sonderregelung im Rahmen der Fallzahlabhängigen Quotierung des Regelleistungsvolumens sowie der +/- 5% Ausgleichsregelung für die Quartale II/05 bis I/07. Gleiches beantragte sie am 29.06.2007 für die Quartale II/07 bis IV/07. Sie wies insbesondere auf einen besonderen Sicherstellungsauftrag hin.
Die Klägerin trug vor, dass ihr Leistungsspektrum 40 verschiedene molekulargenetische Erkrankungen umfassen würde. Davon würden ausschließlich von ihr und Frau Dr. S., einer weiteren niedergelassenen Humangenetikerin, folgende molekulargenetische Leistungen erbracht:
1. Mukoviszidose, insbesondere die Mukoviszidose-Komplettsequenzierung und die Mutationssuche bei türkischen Probanden. Die Leistungen würden nach den Ziffern 11320, 11321, 11322, 11230 und 41020 EBM 2000 plus mit einem Gesamtpunktwert von 175.250 Punkten im Bereich der CF-Komplettsequenzierung abgerechnet werden.
2. Adrenogenitales Syndrom (AGS) - Die Leistungen würden nach den Ziffern 11320, 11321, 11322, 11130 und 41020 EBM 2000 plus mit einem Punktwert von insgesamt 68.145 Punkten abgerechnet.
3. DANN-Analyse beim familiären Mittelmeerfieber (FMF), insbesondere die Komplettsequenzierung. Auch hier wäre eine Abrechnung über die Ziffern 11320, 11321, 11322, 11230 und 41020 EBM 2000 plus erfolgt mit einem Punktwert von insgesamt 74.060 Punkten.
Darüber hinaus obläge ihr und Frau Dr. S. der Sicherstellungsauftrag im Bereich des Morbus Tay-Sachs, Morbus Gaucher, Martin-Bell-Syndrom, Duchenne-Muskeldystrophie, Sichelzellanämie, Riley-Day-Syndrom, Noonan-Syndrom, Porphyrie und Shox-Gens. In ganz Hessen würde neben ihr und Frau Dr. S. ...