Leitsatz (amtlich)
1. Die Regelungen des einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen aus dem Jahr 2008 (EBM 2008) mit dessen Definitionen des Kapitels 23.1 Nr. 2 und 5 sind mit höherrangigem Recht nicht vereinbar, soweit psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten dadurch von einer Abrechenbarkeit der GO-Nr. 01102 EBM 2008 ausgeschlossen werden.
2. Auch psychologische Psychotherapeuten sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten müssen bei vorhergesehenen Inanspruchnahmen am Samstagvormittag dürfen den in der GO-Nr. 01102 EBM 2008 vorgesehenen Zuschlag abrechnen.
3. Es ist kein sachlicher Grund erkennbar, der in dieser Hinsicht eine Differenzierung zwischen ärztlichen und psychologische Psychotherapeuten sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten rechtfertigen könnte.
Nachgehend
Tenor
Die Beklagte wird unter Abänderung des Honorarbescheids für das Quartal I/08 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.01.2009 verurteilt, das klägerische Honorar ohne Absetzung der GO-Nr. 01102 EBM 2008 auszubezahlen.
Die Beklagte trägt die Gerichtskosten sowie die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit des Honorarbescheides für das Quartal I/08 und dabei um die Frage der Rechtmäßigkeit der Absetzung der GO-Nr. 01102 EBM 2008 (Inanspruchnahme des Vertragsarztes an Samstagen zwischen 7.00h und 14.00h).
Der Kläger nimmt als psychologischer Psychotherapeut mit Praxissitz in A-Stadt an der vertragsärztlichen Versorgung teil.
Die Beklagte schloss im Honorarbescheid des Klägers für das Quartal I/08 20mal die GO-Nr. 01102 EBM 2008 mit einem Gesamtwert von 256,50€ von der Vergütung aus.
Mit Schreiben vom 11.08.2009 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Honorarbescheid für das Quartal I/08 und wendete sich dabei ausschließlich gegen die Absetzung der GO-Nr. 01102 EBM 2008. Es lägen aus seiner Sicht keine sachlichen Gründe vor, die einer Abrechenbarkeit dieser Leistungsziffer entgegenstünden. Nach der Legende könne die Ziffer sowohl bei vorhergesehenen als auch bei unvorhergesehenen Inanspruchnahmen abgerechnet werden. Es sei nicht einzusehen, weshalb ärztliche Psychotherapeuten hier anders behandelt würden als psychologische Psychotherapeuten. Die gesamte Rechtsprechung des BSG in den letzten Jahren zur Vergütung der Leistungen hätte zur Grundlage, dass psychologische Psychotherapeuten und ärztliche Psychotherapeuten vergütungsrechtlich gleich zu behandeln seien. Vor diesem Hintergrund stelle die Absetzung der GO-Nr. 01102 EBM 2008 bei den psychologischen Psychotherapeuten eine nicht zu begründende Ungleichbehandlung dar.
Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 13.01.2010 zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass in Kapitel 23 EBM 2008, Punkt 23.1.5 der Präambel ausgeführt werde, dass für psychologische Psychotherapeuten neben den Gebührenordnungspositionen in diesem Kapitel nur die GO-Nr. 01100, 01101, 01410 bis 01413, 01415, 01430, 01435, 01600, 01601, 01602, 01620 bis 01622 sowie die GO-Nr. des Kapitels 35 berechnungsfähig wären. Psychologische Psychotherapeuten könnten zudem Zuschläge bei der Inanspruchnahme zur Unzeit, Besuche, den Verwaltungskomplex, eine telefonische Beratung des Patienten im Zusammenhang mit einer Erkrankung, schriftliche Mitteilungen und Kostenpauschalen (Kapitel 40) abrechnen. Die Inanspruchnahme des Vertragsarztes an Samstagen zwischen 7.00h und 14.00h nach der GO-Nr. 01102 EBM 2008 sei jedoch nicht Inhalt dieser Bestimmungen und könne deshalb von psychologischen Psychotherapeuten nicht abgerechnet werden. Die Beklagte sei insofern an die Vorgaben des EBM gebunden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Klage vom 15.02.2010. Der Kläger räumt ein, dass die Abrechenbarkeit der GO-Nr. 01102 EBM 2008 vom Wortlaut des EBM nicht gedeckt sei. Er verkenne auch nicht, dass dem Bewertungsausschuss als Normgeber bei der Erfüllung des ihm in § 87 Abs. 1 SGB V übertragenen Auftrags, einen einheitlichen Bewertungsmaßstab für die ärztlichen Leistungen zu errichten, ein Gestaltungsspielraum zustehe. Gleichwohl unterliege der Bewertungsausschuss als untergesetzlicher Normgeber gerichtlicher Kontrolle und sei an die einfachgesetzlichen Vorgaben ebenso wie an die grundrechtlichen Gewährleistungen in Art. 3 Abs.1 und Art. 12 Abs. 1 GG gebunden. Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebiete nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG ebenso wie nach derjenigen des BSG dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentliches Ungleiches ungleich zu behandeln. Dies gelte sowohl für Belastungen wie auch für Begünstigungen. Verboten sei ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, d.h. eine Regelung, die einem Personenkreis eine Begünstigung ohne ausreichenden sachlichen Grund vorenthalte, die einem anderen gewährt würde (BSG, Urteil vom 23.05.2007, B 6 KA 2/06 R). Der Norm...