Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Kassenärztliche Vereinigung. Selektivvertrag nach § 73b SGB 5. Kürzung der Abschlagszahlung durch Krankenkasse rechtswidrig
Orientierungssatz
1. Leistungen für Selektivverträge berechtigen die Krankenkassen nicht zur Minderung der Gesamtvergütung an eine Kassenärztliche Vereinigung kraft Gesetzes.
2. Durch den wirksamen Abschluss von Selektivverträgen hat die Krankenkasse einen Anspruch auf Bereinigung der Gesamtvergütung in dem gesetzlich und vertraglich vorgesehenen formalen Verfahren.
3. Unter die Bereinigung fallen neben der Gesamtvergütung, der Behandlungsbedarf und die Regelleistungsvolumina.
4. Eine pauschale Bereinigung - etwa nur auf der Basis der Zahl der Versicherten und der beteiligten Ärzte - ist nach der Gesetzesbegründung zu § 73b SGB 5 ausgeschlossen.
Gründe
Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die sofortige Auszahlung des einbehaltenen Teils der Abschlagszahlung auf die Gesamtvergütung für den Monat April 2009.
Die mit befreiender Wirkung an die Antragstellerin zu leistende Gesamtvergütung wird in monatlichen Abschlagszahlungen sowie einer Restzahlung u.a. durch die Antragsgegnerin an die Antragstellerin überwiesen. Diesem Zahlungsfluss liegt u.a. die Vereinbarung zwischen der Antragsgegnerin u.a. und der Kassenärztlichen Vereinigung über die Vergütung und Honorierung vertragsärztlicher Leistungen im Jahre 2009 gemäß §§ 82 Abs. 2 Satz 1, 87, 87 a, 87 b, 87 c SGB V (im Folgenden “Vereinbarung„) zugrunde, die Bestandteil der jeweils geltenden Gesamtverträge nach § 83 SGB V ist. Nach deren Teil E Ziffer 1 erfolgen die Abschlagszahlungen der Krankenkassen am 5. Bankwerktag des Monats für den Vormonat unter Berücksichtigung verschiedener Komponenten. Die Höhe der Abschlagszahlungen für das Quartal 2/2009 ergab sich aus der “Vorläufigen Rechnung für Leistungen der bayerischen Ärzte„, die die Antragstellerin der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 20.3.2009 mitteilte. Laut diesem Schreiben wurde u.a. für den Monat April 2009 eine Abschlagzahlung in Höhe von 158.615.400,00 € errechnet. Mit Überweisung vom 8.5.2009 überwies die Antragsgegnerin an die Antragstellerin den Betrag von 118.615.400,00 €. Eine Erklärung seitens der Antragsgegnerin, warum die Abschlagszahlung um 40 Millionen Euro gekürzt wurde, erfolgte nicht.
Mit Schreiben vom 11 .5.2009 beantragte die Antragstellerin beim Sozialgericht München den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86 b Abs. 2 SGG zur unverzüglichen Auszahlung der 40 Millionen Euro. Sie beruft sich dabei im Wesentlichen darauf, dass der Antragsgegnerin kein Recht zur eigenmächtigen Kürzung der Abschlagszahlung zustünde, da sie uneingeschränkt an die diesbezüglichen gesetzlichen und vertraglichen Regelungen gebunden sei. Sofern die Kürzung unter Berufung auf die Bereinigungsansprüche für Selektivverträge erfolgt sei, habe bereits das Bundesversicherungsamt in einem vergleichbaren Fall festgestellt, dass gegen eine solche eigenmächtige Kürzung auf sichtsrechtlich eingeschritten würde, da die Regelungen der §§ 28 Abs. 4 SGB V und die des § 140 d Abs. 1 SGB V eine ordnungsgemäße Klärung voraussetzen.
Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass der Anspruch auf Bereinigung der Gesamtvergütung zwar grundsätzlich bestünde, hierfür jedoch ein bestimmtes formelles Verfahren vorgesehen sei, das nicht eingehalten wurde. Solange dieses Verfahren unter Einschaltung des Schiedsamtes nicht durchgeführt worden sei, könne die Antragsgegnerin die Gesamtvergütung nicht eigenmächtig kürzen. Sofern die Bereinigung zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin nicht einvernehmlich durchgeführt werden könne, müsse zwingend das Schiedsamt eingeschaltet werden. Dieses Verfahren sei hier nicht eingehalten worden.
Weiter hilfsweise wurde vorgetragen, dass die Kürzungen nicht auf der Basis rechtsgültiger Verträge basieren.
Die Antragsgegnerin beantragte mit Schriftsatz vom 13.5.2009, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen.
Sie beruft sich dabei im Wesentlichen auf ein Zurückbehaltungsrecht in Höhe von 40 Millionen Euro, da das gesetzlich vorgeschriebene Bereinigungsverfahren nicht durchgeführt worden sei. Die Antragsgegnerin habe mit dem Bayerischen Hausärzteverband einen Selektivvertrag zur hausarztzentrierten Versorgung nach § 73 b SGB V geschlossen, zu dessen Abschluss sie gesetzlich verpflichtet sei und den sie bereits mit einer Abschlagszahlung in Höhe von ca. 35 Millionen Euro für den Monat April bedient habe. Insbesondere wegen dieses Hausarztvertrages sei die an die Antragstellerin zu zahlende Gesamtvergütung zu hoch, da der Sicherstellungsauftrag insoweit nicht mehr bei der Antragstellerin liege und die an die Antragstellerin zu zahlende Gesamtvergütung um die an die Hausärzte zu zahlenden Leistungen gekürzt werden müsse. Die Hausärzte würden die Leistungen nicht mehr über die Gesamtvergütung, sondern nur noch über den Hausarzt- vertrag abrechnen, so dass der Anspruch der Antragstel...