Tenor
I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 26.11.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.6.2010 verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum vom 3.9.2008 bis 31.10. 2009 Pflegegeld nach der Pflegestufe III unter Abzug der erfolgten Zahlungen in gesetzlicher Höhe zahlen
II. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung von Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe III vom 2.9.2008 bis 31.10.2009 wegen einer durch eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte hervorgerufene Trinkschwäche.
Der Kläger wurde am XX.XX. 2008 mit einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte mit Trinkschwäche geboren. Operationen zum Lippen- und Gaumenverschluss fanden vom 8.12.2008 bis 15.12.2008 und vom 24.3.2009 bis 31.3. 2009 statt.
Der Kläger stellte Antrag auf Pflegestufe III ab Geburt. Die Beklagte gewährte zunächst Pflegestufe I (Bescheid vom 26.11.2008), auf den Widerspruch des Klägers wurde mit Bescheid vom 27.5.2009 rückwirkend ab 24.9.2008 Pflegestufe II bewilligt. Dem zu Grunde liegt ein Gutachten des MDK vom 11.5.2009, wonach bei dem Kläger ein zeitlicher Mehrhilfebedarf in der Ernährung von circa 45 min pro Mahlzeit anzusetzen sei (sechs Mahlzeiten mal 45 min = 270 min). Nach Abzug der Zeiten für ein gleichaltriges gesundes Kind (140 min) ergebe sich somit ein anrechenbarer Mehraufwand von 30 min pro Tag. Als nicht anrechenbar wurde das Abpumpen von Muttermilch, das Reinigen der Trennplatte sowie die Frequenz der Arztbesuche und Besuche zum Zweck der osteopathischen oder homöopathischen Behandlung angesehen. Der Kläger trägt im Wesentlichen vor, dass die von der Beklagten angenommene Fütterungszeit von 45 min nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entspreche, der Zeitaufwand habe bei mindestens 1,5 h gelegen, nach der zweiten Operation bei 75 min pro Fütterung. Der Kläger hat für den Zeitraum September 2008 bis Juni 2009 alle Arztbesuche mit den jeweiligen Zeitbedarfen aufgelistet (Blatt 94 Beklagten-Akte).
Der Kläger rügt die Begutachtung durch Pflegefachkräfte ohne besondere Zusatzausbildung im Bereich Kinderbegutachtung; die Gutachten seien außerdem lückenhaft und fehlerhaft und nicht professionell und sorgfältig erstellt. Der Kläger habe wegen der langwierigen Heilung nach der zweiten Operation und einer vierwöchigen Mittelohrentzündung und Bindehautentzündung erst Mitte Juni 2009 überhaupt begonnen, mit dem Löffel zu essen. Auf die Aufstellungen des Klägers über die Fütterungszeiten von Juni 2009 bis Dezember 2009 (Blatt 86ff.der Akte des SG) wird verwiesen. Es sei bis einschließlich Oktober 2009 acht mal täglich gefüttert worden.
Nach Gutachten des MDK vom 13.8.2009, wonach nur noch Pflegestufe I (Zeitaufwand Grundpflege 77 min, hiervon Nahrungsaufnahme 70 min) festgestellt wurde, reduzierte die Beklagte ihre Pflegeleistungen mit Bescheid vom 21.10.2009 zum 1.11.2009 auf Pflegestufe I. Diese Rückstufung wurde vom Kläger akzeptiert. Weiter beantragt wird aber die Pflegestufe III vom Zeitraum der Geburt (2.9.2008) bis zum 31.10.2009.
Der Kläger beantragt,
die Bescheide der Beklagten vom 26.11.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.6.2010 werden aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger für den Zeitraum vom 2.9.2008 bis 31.10.2009 Pflegegeld nach der Pflegestufe III unter Abzug der erfolgten Pflegegeldzahlungen in gesetzlicher Höhe zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts wegen der Einzelheiten auf die Akte des Sozialgerichts sowie die Akte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Entscheidung durch Gerichtsbescheid nach § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist möglich, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind hierzu gehört worden.
Die zulässige Klage ist begründet. Die Beklagte hat die Einstufung des Klägers in die Pflegestufe III vom 2.9.2008 bis 31.10.2009 zu Unrecht abgelehnt.
Pflegebedürftige haben bei häuslicher Pflege Anspruch auf Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung als Sachleistung (§ 36 Abs 1 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB XI -); anstelle der häuslichen Pflegehilfe kann der Pflegebedürftige ein Pflegegeld beantragen, wenn er mit dem Pflegegeld und dessen Umfang entsprechend die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung selbst sicherstellt (§ 37 Abs 1 Sätze 1 und 2 SGB XI).
Maßgebend für die Feststellung von Pflegebedürftigkeit und die Zuordnung zu den einzelnen Pflegestufen ist der Umfang des Pflegebedarfs bei denjenigen gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens, die in § 14 Abs. 4 SGB XI aufgeführt und dort in die Bereiche Körperpflege, Ernährung und Mobilität (Nrn. 1 bis 3), die zur Grundpflege gehören, sowie den Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung (Nr. 4) aufgeteilt sind. Der in diesen Bestimmungen aufgeführte Katalog der Verrichtungen...