Entscheidungsstichwort (Thema)
Befreiung eines in der Pharmaindustrie beschäftigten Apothekers als Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versorgungseinrichtung von der Versicherungspflicht
Orientierungssatz
1. § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB 4 gebietet auf Antrag die Befreiung der Personen von der Versicherungspflicht, die wegen ihrer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe und zugleich Mitglied einer berufsständischen Kammer sind.
2. Die Aufnahme eines Apothekers in die Apothekenkammer und das ihr zugeordnete Versorgungswerk hat dabei eine erhebliche Tatbestandswirkung. Der Rentenversicherungsträger ist gleichwohl zur Prüfung verpflichtet, ob die Mitgliedschaft in der entsprechenden berufsständischen Versorgungseinrichtung auf genau jener Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit beruht, für die eine Befreiung von der Versicherungspflicht begehrt wird.
3. Bei einem Apotheker beschränkt sich die Möglichkeit zur Befreiung von der Versicherungspflicht keineswegs auf den in der Apotheke tätigen Apotheker. Erfasst wird ebenso dessen Tätigkeit in der Pharmaindustrie als wissenschaftlicher Mitarbeiter u. a. in der Medikamentenzulassung bzw. Pharmakovigilanz.
Tenor
I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 20.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.07.2015 zur der bescheidsmäßigen Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht für ihre Tätigkeit seit 01.10.2009 verurteilt.
II. Die Beklagte hat der Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Streitig zwischen den Beteiligten ist die Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht.
Die am 1XX.XX. 1977 geborene Klägerin beantragte am 15.10.2014 bei der Beklagten diese Befreiung wegen ihrer seit 01.01.2004 bestehenden gesetzlichen Pflichtmitgliedschaft in der Bayerischen Apothekerversorgung aufgrund einer Tätigkeit als “Associate pharmacovigilance„ bei der Firma B. in B-Stadt seit 01.10.2009. Beigefügt war ein ausführliches Positionsprofil, aus dem ein breites Tätigkeitsfeld in der Überwachung von Risiken, Nebenwirkungen und Komplikationen im Zusammenhang mit Medikamenten ersichtlich war. Kommunikative Aufgaben im Zusammenwirken mit Ärzteschaft, Behörden, Forschungseinrichtungen und ausländischen Partnern haben darin einen hohen Anteil. Als “gewünschte Erfahrungen„ im Sinne von persönlichen Voraussetzungen für die Tätigkeit war “ein erfolgreich abgeschlossenes Studium der Medizin, Veterinärmedizin, Pharmazie oder Biologie„ verlangt. Unter der Rubrik “gewünschte Kenntnisse„ war ein “fundiertes medizinisches, pharmakologisches und pharmazeutisches Fachwissen„ verlangt. Die individuelle Tätigkeitsbeschreibung für die Klägerin wies ihr in der Abteilung Pharmakovigilanz die Therapiegebiete Virologie, Immunologie und Schmerz zu. Als Berufsbezeichnung wählte die Firma - B. die Bezeichnung “Apothekerin in der pharmazeutischen Industrie„.
Die Klägerin legte eine ausführliche Stellungnahme der Bayerischen Landesapothekerkammer vom 08.10.2014 bei. Darin wurde nochmals die kommunikativ akzentuierte Tätigkeit der Klägerin im Bereich der Berichte und Meldungen über Nebenwirkungen umrissen und “ohne Zweifel„ als apothekerliche Tätigkeit anerkannt. Der Beruf des Apothekers werde nicht nur in öffentlichen Apotheken und Krankenhausapotheken ausgeübt. Die Qualifikation, die mit der Approbation dokumentiert werde, stelle auch für andere Tätigkeitsbereiche etwa im Bereich der Verwaltung oder der pharmazeutischen Industrie die Zugangsberechtigung dar und bestimme auch dort das berufliche Anforderungsbild. Demgemäß habe die Bundesapothekerkammer auch in einer Veröffentlichung aus dem Jahre 2004 das Berufsbild des Apothekers interdisziplinär definiert; es umfasse auch den Tätigkeitsbereich in der pharmazeutischen Industrie. Auch § 1 der Berufsordnung für Apothekerinnen und Apotheker stelle fest, dass die apothekerliche Tätigkeit in unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen insbesondere in der öffentlichen Apotheke, im Krankenhaus, im pharmazeutischen Großhandel, in der pharmazeutischen Industrie, in Prüfinstitutionen, bei der Bundeswehr, bei Behörden und Körperschaften, an der Universität und an Lehranstalten und Berufsschulen ausgeübt werden könne. Der Auftrag des Apothekers umfasse je nach individuellem Tätigkeitsbereich die Entwicklung, Herstellung, Prüfung und Abgabe von Arzneimitteln, insbesondere die Beratung und Betreuung der Patienten, die Beratung der Ärzte und anderer Beteiligter im Gesundheitswesen, die Sicherstellung des ordnungsgemäßen Umgangs mit Arzneimitteln, Forschung, Lehre und Verwaltung, die Tätigkeit als Sachverständiger sowie weitere pharmazeutische Leistungen, wobei er sich auf Medizinprodukte sowie sonstige apothekenübliche Waren und Tätigkeiten bezieht und auch die Mitarbeit bei qualitätssichernden und präventiven Maßnahmen umfasst. Die Klägerin unterliege aufgrund der von ihr beschriebenen pharmazeutischen Tätigkeit der Berufsordnung für Apo...