Entscheidungsstichwort (Thema)
Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 231 Abs 4b SGB 6. Zahlung nur symbolischer anwartschaftserhaltender Beiträge zu einem Versorgungswerk
Orientierungssatz
Bei der Möglichkeit der Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 231 Abs 4b S 4 SGB 6 soll derjenige, der neben einer nach dem SGB 6 versicherten Tätigkeit nur symbolische anwartschaftserhaltende Beiträge zu einem Versorgungswerk entrichtet hat, die Versicherungspflicht nach dem SGB 6 für die entsprechende Zeit nicht annullieren können.
Nachgehend
Tenor
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 28.11.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2017 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig zwischen den Beteiligten ist die Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht für den Zeitraum Januar bis März 2014.
Die 1977 geborene Klägerin beantragte am 24.03.2016 bei der Beklagten diese Befreiung wegen ihrer Eigenschaft als Syndikusrechtsanwältin und als Rechtsanwältin bei der C. GmbH A-Stadt in der Zeit von 01.01.2014 bis 30.09.2014.
Für diese Tätigkeit habe sie einen Befreiungsantrag gestellt, gegen dessen Ablehnung sie Widerspruch und Klage erhoben habe. Die Klage ruhe derzeit. Zwischen 01.10.2014 und 31.12.2014 sei sie arbeitslos gewesen. Seit 01.01.2015 sei sie Syndikusanwältin und Rechtsanwältin bei der D. GmbH.
Am 08.04.2016 bestätigte die Beklagte der Klägerin den Eingang ihres Befreiungsantrages nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch VI (SGB VI). Die Entscheidung der Rechtsanwaltskammer über ihre Zulassung als Syndikusanwältin nach § 46 a Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) liege aber noch nicht vor. Nach Vorlage entsprechender Unterlagen sprach die Rechtsanwaltskammer A-Stadt mit Bescheid vom 30.06.2016 die Zulassung der Klägerin als Syndikusrechtsanwältin aus. Daraufhin erteilte die Beklagte mit Bescheiden vom 04.11.2016 die Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht nach § 231 Abs. 4 b SGB VI für die Zeiträume 01.04.2014 bis 30.09.2014 und 01.01.2015 bis 12.08.2016. Die zu Unrecht gezahlten Pflichtbeiträge wurden nach § 286 f SGB VI der berufsständischen Versorgungseinrichtung zugesprochen. Mit Bescheid vom 28.11.2016 hingegen wurde die Befreiung für die Zeit vom 01.01.2014 bis 31.03.2014 abgelehnt. Die Klägerin habe in dieser Zeit keine einkommensbezogenen Pflichtbeiträge an ein berufsständisches Versorgungswerk gezahlt. Die Klägerin erhob Widerspruch mit dem Begehren einer Befreiung nach § 231 Abs. 4 SGB VI. Sie wendete sich gegen die Aussage, von 01.01.2014 bis 31.03.2014 keine einkommensbezogenen Pflichtbeiträge gezahlt zu haben. Das Bundesverfassungsgericht habe am 19.07.2016 - BvR 2584/14 - ausdrücklich festgestellt, dass es sich bei der Zahlung der Pflichtbeiträge in das Versorgungswerk um einkommensbezogene Pflichtbeiträge im Sinne von § 231 Abs. 4 Satz 4 SGB VI handelt. Die Klägerin wies nach, dass sie am 05.08.2014 von der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung für die Zeit von 01.01. bis 01.03.2014 mit einer Beitragsschuld von monatlich EUR 224,90 veranlagt worden war.
Mit Schreiben vom 22.12.2016 erläuterte die Beklagte die Rechtslage. Voraussetzung für eine rückwirkende Befreiung nach § 231 Abs. 4 b SGB VI in Zeiten vor 01.04.2014 sei, dass für diese Zeiten einkommensbezogene Pflichtbeiträge aufgrund der Beschäftigung gezahlt wurden, für die die Befreiung begehrt wird. Die Klägerin hielt an ihrer Auffassung fest, die gezahlten Mindestbeiträge müssten für die Befreiung genügen.
Die Klägerin hielt ihren Widerspruch aufrecht und zitierte das Bundesverfassungsgericht mit der Entscheidung 1 BvR 2534/14 vom 19.07.2016, wonach auch die Mindestbeiträge in Höhe von 10 % des Regelpflichtbeitrages einkommensbezogene Pflichtbeiträge seien. Mit Bescheid vom 03.05.2017 wurden die Beiträge der Klägerin zur Gesetzlichen Rentenversicherung für die Zeiträume 01.04.2014 bis 30.09.2014 und 01.01.2015 bis 12.08.2016 als zu Unrecht gezahlt beanstandet.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 05.07.2017 zurückgewiesen. Alle Voraussetzungen für die Befreiung der Klägerin für den streitigen Zeitraum wurden bejaht außer der Zahlung einkommensgerechter Pflichtbeiträge. Das BVerfG habe mit seinem Beschluss vom 19.07.2016 keine materiellrechtliche Entscheidung getroffen, die eine Bindungswirkung entfalten könnte. Darüber hinaus knüpfe § 231 Abs. 4 b Satz 4 SGB VI an § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI an, der als Voraussetzung der Befreiung zu Gunsten einer berufsständischen Versorgungseinrichtung die Zahlung einkommensbezogener Pflichtbeiträge fordere. Dass hierzu nicht Beiträge aus einer neben der zu befreienden Beschäftigung ausgeübten selbstständigen Tätigkeit gehören sowie Mindestbeiträge, die keinen unmittelbaren Bezug zum Einkommen haben, sondern sich pauschal als prozentualer Anteil des auf der Grundlage des Höchstbeitrages zur gesetzlichen Rentenversicherung ...