Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Zulassungsentziehung bei Nichtmehrausüben der vertragsärztlichen Tätigkeit. Behandlung von weniger als 10 % des Fachgruppendurchschnitts an Patienten
Orientierungssatz
1. Eine Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung ist nach § 95 Abs 6 SGB 5 iVm § 27 Ärzte-ZV ua zu entziehen, wenn der Vertragsarzt die vertragsärztliche Tätigkeit nicht mehr ausübt. In dem Zusammenhang kommt es darauf an, ob er nicht mehr den Willen zur kontinuierlichen Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung hat, was anhand der Erfüllung seiner Hauptpflichten zu beurteilen ist.
2. Hat ein Vertragsarzt weniger als 10 % des Fachgruppendurchschnitts an Patienten behandelt, so nimmt er nicht mehr in nennenswertem Umfang an der vertragsärztlichen Versorgung teil (vgl LSG Stuttgart vom 20.10.2010 - L 5 KA 2155/09).
3. Az beim LSG München: L 12 KA 82/11
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Gegenstand der zum Sozialgericht München eingelegten Klage war der Bescheid des Berufungsausschusses (mündliche Verhandlung am 21. September 2006). Dem Kläger, der seit 1972 als Allgemeinarzt in A-Stadt zugelassen ist, wurde mit diesem Bescheid - vorausgehend der Bescheid des Zulassungsausschusses - die Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit entzogen. Zur Begründung wurde auf § 95 Abs. 6 SGB V in Verbindung mit § 27 Ärzte-Zulassungsverordnung hingewiesen. Der Kläger habe für die Quartale 1/2004 bis 1/2005 keine Abrechnungsscheine eingereicht. Dies stelle eine Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit im Sinne der oben genannten Vorschriften dar.
Dagegen wurde Klage zum Sozialgericht eingelegt. Der Kläger ist der Auffassung, er könne ohne weiteres 100 Fälle pro Quartal als Kassenleistung abrechnen, wenn ihn die Kassenärztliche Vereinigung nicht dabei hindern würde. Er halte die Gebührenordnungspositionen für unsinnig, wonach in jedem Fall 14 Nadeln „gestochen“ werden müssten. Im Normalfall seien nämlich lediglich 6, 8 oder 10 Nadeln pro Akupunktursitzung notwendig. Gegenwärtig (klägerischer Schriftsatz vom 17.11.2008) rechne er zwischen 37 und 50 Fälle pro Quartal ab. Für die Patienten stehe er auch täglich ab 9:00 Uhr in der Praxis zur Verfügung.
Der Beklagte wandte dagegen ein, allein aus Rechtsgründen könne es nicht darauf ankommen, welche Leistungen der Kläger erbringen könnte, sondern nur darauf, welche Leistungen der Kläger erbracht habe in praktischer Wahrnehmung der vertragsärztlichen Zulassung. Insofern spiele der hypothetische Sachverhalt keine Rolle.
In der mündlichen Verhandlung am 11.10.2011 teilte die Vertreterin der Beklagten die vom Kläger in den Quartalen 1/10 bis 2/11 abgerechneten Fallzahlen mit. Danach wurden zwischen null und 23 Fällen pro Quartal abgerechnet. Aus der Häufigkeitsstatistik für die Fachgruppe ergebe sich ein Durchschnittswert von 691 Fällen (Quartal 4/10) bzw. 999 Fällen (Quartal 1/2011). Im Übrigen handle es sich bei den Ziffern, die abgerechnet wurden, im Wesentlichen um Gesprächsleistungen der Nr. 03110 ff.
Der Kläger bestritt die Richtigkeit des vom Berufungsausschuss und der KVB genannten Zahlen. Im Übrigen sei eine abgeschickte Abrechnung nicht aufgefunden und dann nachgereicht worden.
Er beantragte, den Beschluss des Zulassungsausschusses vom 09.04.2006 in der Fassung des Beschlusses des Berufungsausschusses (mündliche Verhandlung vom 25. 09.2008) aufzuheben.
Die Vertreterin der Beklagten beantragte, die Klage abzuweisen.
Die Vertreterin der Beigeladenen zu 1 stellte keinen Antrag.
Die Vertreterin der Beigeladenen zu 2, 4 und 5 beantragte, die Klage abzuweisen.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung war die Beklagtenakte. Im Übrigen wird auf den sonstigen Akteninhalt, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten, sowie die Sitzungsniederschrift vom 11.10.2011 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zum Sozialgericht München eingelegte Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Maßgeblicher Zeitpunkt ist, abweichend von der Regel (reine Anfechtungsklage: Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung) der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor der Tatsacheninstanz, hier vorerst also der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht München, nachdem es sich vorliegend um ein „Zulassungsentzugsverfahren“ handelt (BSGE 61, 20, 204). Die angefochtenen Bescheide sind als rechtmäßig anzusehen.
Der "Zulassungsentzug" ist in § 95 Abs. 6 SGB V in Verbindung mit § 27 Ärzte-ZV geregelt. Danach ist die Zulassung unter anderem zu entziehen, wenn der Vertragsarzt die vertragsärztliche Tätigkeit nicht mehr ausübt. In dem Zusammenhang kommt es darauf an, ob er nicht mehr den Willen zur kontinuierlichen Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung hat, was anhand der Erfüllung seiner Hauptpflichten zu beurteilen ist. (vgl. Schallen, Kommentar zur Zulassungsverordnung,
7. Auflage, Rn. 12 zu § 27).
Der Kläger rechnete vom Quartal 1/2004 bis 1/2005 ...