Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Ruhen des Krankengeldanspruchs. Meldeobliegenheit des Versicherten. Erhalt der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nachträglich per Post. Beginn der Wochenfrist mit Zugang der Bescheinigung beim Versicherten. verspätete Übermittlung durch den Arzt. Verantwortungsbereich der Krankenkasse. keine Berufung auf Überschreitung der Wochenfrist
Leitsatz (amtlich)
1. Erhält der Versicherte die Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit nicht am Tag der Untersuchung, sondern erst nachträglich per Post, so beginnt die Wochenfrist für die Meldeobliegenheit gemäß § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V erst mit dem Zugang der Bescheinigung beim Versicherten.
2. Die verspätete Übermittlung der Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit durch den Arzt fällt in den Verantwortungsbereich der Krankenkasse, da sie die unverzügliche Ausstellung sicherzustellen hat.
3. Die Krankenkasse kann sich nicht auf die Überschreitung der Wochenfrist nach § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V berufen, soweit die verspätete Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch den Arzt ursächlich für die Verzögerung war.
Tenor
1. Unter Aufhebung des Bescheids vom 24.04.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.06.2019 wird die Beklagte verurteilt, dem Kläger vom 16.04.2019 bis zum 23.04.2019 Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu zahlen.
2. Die Beklage hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Krankengeld vom 16.04.2019 bis zum 23.04.2019 (für insgesamt 8 Tage) hat.
Der 1971 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Der Kläger war seit dem 29.10.2018 wegen einer rezidivierenden depressiven Störung (ICD F33.1) arbeitsunfähig erkrankt. Mit Bescheid vom 20.12.2018 gewährte die Beklagte dem Kläger Krankgeld in Höhe von 103,25 Euro brutto. Am 12.03.2019 stellte Dr. B., Chefarzt der C-Klinik, dem Kläger eine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis zum 15.04.2019 aus.
Am Montag, den 15.04.2019, besuchte der Kläger erneut Dr. B., um eine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erhalten. Da sich die früheren Termine von Dr. B. verschoben hatten, konnte dieser den Kläger nicht wie geplant um 16 Uhr, sondern erst um 17 Uhr untersuchen. Aufgrund der Abwesenheit der Schreibkräfte um 17 Uhr stellte Dr. B. nicht am selben Tage eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wegen einer rezidivierenden depressive Störung (ICD F33.1) bis zum 14.05.2019 aus, vielmehr erhielt der Kläger die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mit Datum vom 15.04.2019 erst am Samstag, den 20.04.2019, per Post. Am selben Tage übermittelte der Kläger die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung per Brief an die Beklagte. Der Postkasten wurde am Montag, den 22.04.2019, gelehrt. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ging bei der Beklagten am Mittwoch, den 24.04.2019, ein.
Mit Bescheid vom 24.04.2019 lehnte die Beklagte die Gewährung von Krankengeld für den Zeitraum vom 16.04.2019 bis zum 23.04.2019 ab. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht innerhalb einer Woche bei der Beklagten eingegangen sei. Aus diesem Grunde ruhe der Anspruch auf Krankengeld für die Tage vom 16.04.2019 bis zum 23.04.2019.
Mit undatiertem Schreiben, bei der Beklagten am 07.05.2019 eingegangen, legte der Kläger Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, dass er am 15.04.2019 von Dr. B. untersucht worden sei. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung habe er jedoch nicht am selben Tag erhalten, sondern erst per Post am 20.04.2019. Daraufhin habe er die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung noch am 20.04.2019 zur Post gegeben.
Mit dem Widerspruchsbescheid vom 12.06.2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass der Kläger auf die Meldepflichten bei Arbeitsunfähigkeit durch das Merkblatt der Beklagten hingewiesen worden sei. Der Anspruch auf Krankengeld ruhe, solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet werde; dies gelte nicht, wenn die Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit erfolge. Die Meldepflicht sollte es ermöglichen, durch den medizinischen Dienst der Krankenversicherung das Vorliegen der Arbeitsunfähigkeit überprüfen zu lassen sowie den Behandlungserfolg zu sichern und Maßnahmen zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit einzuleiten. Die Gefahr des Nichteingangs oder des nicht rechtzeitigen Eingangs der Meldung trage der Versicherte, er habe also dafür zu sorgen, dass die Meldung die Krankenkasse auch zuverlässig erreiche. Die Wochenfrist für die erneute Meldung habe nach Ablauf der vorangegangenen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung am 16.04.2019 begonnen und am 22.04.2019 geendet. Da die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erst am 24.04.2019 bei der Beklagten eingegangen sei, ruhe der Krankengeldanspruch bis zum 23.04.2019. Zur Fristwahrung hätte eine Meldung per Telefon, Telefax oder E-Mail ausgereicht.
Mit Schreiben vom 25.06.2019 hat der Kläger die Klage erhoben.
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