Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergütung der stationären Krankenhausbehandlung entsprechend der Fallpauschalenvereinbarung. Berücksichtigung eines Verlegungsabschlags

 

Orientierungssatz

1. Der Vergütungsanspruch des Krankenhauses entsteht nach §§ 109 Abs. 4 S. 3 SGB 5, 7 Abs. 1 KHEntgG, 17b KHG unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten, wenn stationäre Krankenhausbehandlung erforderlich ist.

2. Die Abrechnungsbestimmungen der Fallpauschalenverordnung (FPV) sind eng an deren Wortlaut orientiert auszulegen. Nach § 1 der FPV rechnet im Fall der Verlegung des Patienten in ein anderes Krankenhaus jedes beteiligte Krankenhaus eine Fallpauschale ab.

3. Eine Verlegung liegt dann vor, wenn zwischen der Entlassung aus einem Krankenhaus und der Aufnahme in einem anderen Krankenhaus nicht mehr als 24 Stunden vergangen sind.

4. Eine Verlegung gemäß § 1 Abs. 1 S. 4 FPV ist nur dann gegeben, wenn die Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit des Patienten zum Zeitpunkt der Entlassung noch weiter besteht.

5. Damit kann ein Verlegungsabschlag nur dann angenommen werden, wenn zum Zeitpunkt der Entlassung des Versicherten aus dem Krankenhaus dessen Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit noch nicht aufgehoben, sondern eine weitere Behandlung erforderlich war.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 27.10.2020; Aktenzeichen B 1 KR 12/20 R)

 

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 646,98 Euro nebst Zinsen i.H.v. 4 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 15.11.2013 zu zahlen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Bezahlung der Kosten für eine stationäre Behandlung i.H.v. 646,98 € streitig.

Die bei der Beklagten versicherte Patientin C. wurde vom 20.09.2013 bis 01.10.2013 im Klinikum A-Stadt der Klägerin stationär behandelt. Die Behandlung erfolgte aufgrund der Diagnose A04.7 "sonstige bakterielle Darminfektionen Enterokolitis durch Clostridium difficile". Sie wurde am 01.10.2013 um 12.53 Uhr entlassen.

Am 02.10.2013 um 10.14 Uhr wurde die Versicherte wegen einer psychischen Störung zur stationären Behandlung in das I-Klinikum I-Stadt aufgenommen.

Die Klägerin rechnete die erbrachten Leistungen mit der DRG G48A ab und stellte der Beklagten 5.081,20 € in Rechnung (Rechnung vom 23.10.2013). Die Beklagte wies die Rechnung zurück und bat um Erstellung einer neuen Rechnung mit Berücksichtigung von Verlegungsabschlägen. Die Klägerin kam dieser Aufforderung nicht nach. Die Beklagte zahlte daraufhin am 14.03.2014 unter Abzug eines Verlegungsabschlags einen Betrag von 4.434,22 €.

Die Klägerin hat am 02.06.2016 Klage zum Sozialgericht München erhoben und den Differenzbetrag von 646,98 € geltend gemacht. Sie weist darauf hin, dass ein Zusammenhang der psychiatrischen Erkrankung mit der im Klinikum A-Stadt behandelten Darmerkrankung denknotwendig ausgeschlossen sei. Es sei schon begrifflich keine Verlegung erfolgt, sondern eine Entlassung aus dem Klinikum A-Stadt nach beendeter Behandlung in die hausärztliche Weiterbetreuung. Die Aufnahme in der psychiatrischen Fachklinik in I-Stadt sei ohne Veranlassung oder Zutun der Klinik in A-Stadt und wegen einer gänzlich anderen Erkrankung erfolgt. Nach herrschender Rechtsprechung sei eine Verlegung trotz erneuter Aufnahme in ein Krankenhaus innerhalb von 24 Stunden zu verneinen, wenn bei den beiden stationären Krankenhausaufenthalten völlig verschiedene Erkrankungen vorlägen und behandelt würden.

Die Klägerin beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 646,98 € nebst Zinsen i.H.v. 4 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 15.11.2013 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass der Verlegungsabschlag zu berücksichtigen gewesen ist. Die Voraussetzungen des § 3 FPV 2013 seien erfüllt. Es komme nicht auf einen (medizinischen) Zusammenhang zwischen den jeweiligen Erkrankungen an. Vielmehr seien die Regelungen im Fallpauschalen-Katalog streng nach ihrem Wortlaut auszulegen. Die Beklagte hat klargestellt, dass ausweislich der ihr zur Verfügung stehenden Unterlagen die Versicherte am 01.10.2013 ordnungsgemäß nach Beendigung der Behandlung entlassen wurde.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den gesamten Akteninhalt sowie die von der Beklagten beigezogene Akte verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 646,98 € zzgl. Zinsen aus dem Behandlungsfall C.

Die streitgegenständliche Rechnung vom 23.10.2013 ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin war nicht verpflichtet, einen Verlegungsabschlag i.S.v. § 3 Abs. 1 Satz 1 Fallpauschalenvereinbarung 2013 (FPV 2013) vorzunehmen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG erfolgt die Anwendung der FPV-Abrechnungsbestimmungen eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht. Nur dann kann eine Vergütungsregelung, die für die...

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