Entscheidungsstichwort (Thema)

Kassenärztliche Vereinigung. Honorarverteilung. Auslegung von Regelungen zur Gewährung eines sog BAG-Zuschlags. Job-Sharing-Anstellung bei einer Einzelpraxis

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Regelung des Honorarverteilungsmaßstabes ist entsprechend der von der Rechtsprechung nicht nur auf dem Gebiet des Sozialrechts entwickelten und angewandten allgemeinen Auslegungsregeln auszulegen, vor allem nach dem Wortlaut, der Systematik und dem Sachzusammenhang sowie teleologisch.

2. Unter Beachtung dieser Auslegungsregeln hat der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung eines BAG-Zuschlags nach B Nr 7.3.6 des Honorarverteilungsmaßstabes im Quartal 1/16.

3. Eine Job-Sharing-Anstellung bei einer "Einzelpraxis" führt nicht zu einer Berufsausübungsgemeinschaft iSd § 33 Abs 2 Ärztezulassungsverordnung (Ärzte-ZV). Es handelt sich nach wie vor um eine Einzelpraxis, wenn auch um eine solche "sui generis".

 

Orientierungssatz

Zu Leitsatz 3: Entgegen LSG Hamburg vom 25.2.2015 - L 5 KA 10/12.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 17.03.2021; Aktenzeichen B 6 KA 32/19 R)

 

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Gegenstand der Klage zum Sozialgericht München ist der Ausgangsbescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2017. Der Kläger, der Lungenarzt ist, wendet sich dagegen, dass er im Quartal 1/16 keinen sog. BAG-Zuschlag gem. Abschnitt B Nr. 7.3.6 HVM erhalten habe. In diesem Quartal war in der klägerischen Praxis Frau Dr. M.M., Internistin mit Schwerpunkt Pneumologie und Schlafmedizinerin als sog. Job-Sharing-Partnerin angestellt. Zur Begründung führte die Beklagte aus, bei Job-Sharing-Praxen finde die Zuschlagsregelung keine Anwendung. Der Praxisumfang dürfe nicht erweitert werden. Job-Sharing-Praxen seien wie Einzelpraxen zu behandeln. Die Beklagte wies auf die Entscheidungen des Bayerischen Landessozialgerichts vom 23.07.2014 (Az. L 12 KA 40/13 und L 12 KA 41/13), sowie auf die Entscheidungen des Sozialgerichts München vom 13.03.2013 (Aktenzeichen S 28 KA 1505/11 und S 28 KR 538/11) hin.

Dagegen ließ der Kläger Klage zum Sozialgericht München einlegen. Weder Teil D der Vorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) zur Honorarverteilung gemäß § 87b Abs. 4 SGB V, noch Teil B Nr. 7.3.6 des Honorarverteilungsmaßstabes sei zu entnehmen, dass Job-Sharing-Praxen von den Zuschlag ausgenommen sein sollten. Maßgeblich sei in erster Linie der Wortlaut der Regelungen. Aber auch der systematische Einwand ändere nichts daran. Denn das Regelleistungsvolumen erfolge rein tatsächlich praxisbezogen. Entscheidend sei auch nicht, wie viele Regelleistungsvolumina zugewiesen würden, sondern allein, ob die in der Praxis tätigen Ärzte kooperativ tätig sein. Auch der Sinn und Zweck des Zuschlags spreche für eine Gewährung des Zuschlags. Denn die Vorteile einer Gemeinschaftspraxis, wie kontinuierliche Betreuung von Patienten, Erweiterung des Leistungsspektrums und längere Öffnungszeiten beträfen auch Praxen mit Shop-Sharing- Angestellten. Insgesamt handle es sich auch bei einer Job-Sharing-Praxis um eine Form der kooperativen Behandlung von Patienten (vgl. BT-Drs 13/7264, S. 65). Ziel des Zuschlags sei nicht ein Nachteilsausgleich, sondern die Förderung der kooperativen Versorgung, wozu auch Job-Sharing-Praxen gehörten (vgl. Teil D Nr. 2 lit. a). Im Übrigen könnten bedarfsplanerische Gesichtspunkte, die einem anderen Rechtskreis entstammten, nicht zur Auslegung des Honorarverteilungsmaßstabes herangezogen werden. Dies sei mit der Systematik des SGB V nicht in Einklang zu bringen und werde vom Bayerischen Landessozialgericht und vom Sozialgericht München verkannt. Außerdem werde auf die Entscheidung des Landessozialgerichts Hamburg vom 25.02.2015 (Az. L 5 KA 10/12) hingewiesen. Dieses habe die Rechtsauffassung der Klägerseite bestätigt und stehe im Widerspruch zur Auffassung des Bayerischen Landessozialgerichts und Sozialgerichts München (28. Kammer).

In Erwiderung hob die Beklagte hervor, Job-Sharing-Praxen seien nicht auf die kooperative oder interdisziplinäre Behandlung von Patienten ausgelegt. Es gehe nur darum, dass durch Teilung die Praxistätigkeit in vollem Umfang aufrechterhalten werde. Im Übrigen setze die Anwendung von B Nr. 7.3.6 des Honorarverteilungsmaßstabes voraus, dass für jeden Teilnehmer in den genannten Versorgungsformen überhaupt ein eigenes RLV zu ermitteln sei. Eine solche Ermittlung erfolge aber nur für angestellte Ärzte ohne Leistungsbegrenzung, nicht aber für angestellte Ärzte einer Job-Sharing-Praxis.

In der mündlichen Verhandlung am 21.03.2018 erklärte die Vertreterin der Beklagten zum Antrag der Klägerseite auf Zulassung der Sprungrevision zum Bundessozialgericht, es werde dem Antrag nicht zugestimmt.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers stellte den Antrag aus dem Schriftsatz vom 26.07.2017.

Die Vertreterin der Beklagten beantragte, die Klage abzuweisen.

Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung war die Beklagtenakte. Im Übrigen wird ...

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