Entscheidungsstichwort (Thema)
Minderung des Arbeitslosengeld II. Meldeversäumnis. wichtiger Grund. Terminverwechslung. subjektive Vorwerfbarkeit. Addition der Sanktionen bei wiederholtem Meldeversäumnis
Orientierungssatz
1. Ein Meldeversäumnis ist gegeben, wenn der Arbeitsuchende aufgrund einer Terminverwechslung einen Tag zu spät zu einer ärztlichen Untersuchung erscheint. Auf die Frage, ob der Arzt den Arbeitsuchenden unter Umständen auch einen Tag später hätte begutachten können, kommt es nicht an.
2. Die den Sanktionsbestimmungen als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal innewohnende subjektive Vorwerfbarkeit setzt keinen Vorsatz voraus. Vielmehr reicht zurechenbares fahrlässiges Verhalten aus.
3. Der Sanktionsbescheid ist nicht deswegen rechtswidrig, weil aufgrund einer vorausgehenden Sanktion sich überlappende Zeiträume ergeben, für welche die verhängten Sanktionen aufaddiert werden.
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Streitgegenstand ist ein Sanktionsbescheid des Beklagten.
Der 1964 geborene Kläger bezieht vom Beklagten seit 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 22.5.2013 stellte der Beklagte eine Minderung des Arbeitslosengeldes II des Klägers um monatlich 10 % im Zeitraum 1.6.2013 bis 31.8.2013 fest. Daraus ergebe sich eine Minderung in Höhe von 38,20 € monatlich. Zur Begründung wurde vorgebracht, der Kläger sei trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen zu einem ärztlichen Untersuchungstermin am 14.05.2013 ohne wichtigen Grund nicht erschienen. Der Kläger habe in seiner Anhörung selbst erklärt, dass er den Untersuchungstermin verwechselt habe. Dieser Grund könne jedoch unter Abwägung der persönlichen Einzelinteressen des Klägers mit denen der Allgemeinheit nicht als wichtig anerkannt werden.
Dagegen legte der Kläger am 30.05.2013 Widerspruch ein: Er habe den Termin verwechselt und irrtümlich angenommen, dass der Untersuchungstermin am 15.05.2013 stattfinde. Er habe auch darum gebeten, ihm eine Alternativstelle für die Untersuchung anzubieten, da er eine Anfahrt von 70 Minuten habe und noch immer nicht gut zu Fuß sei, weshalb es ihm schwer falle, solche weite Strecken zurücklegen zu müssen. Im Übrigen sei es für den Kläger unverständlich, weshalb die ärztliche Untersuchung, für die er durch die halbe Stadt habe reisen müssen, nicht trotzdem habe stattfinden können.
Mit Widerspruchsbescheid vom 25.6.2013 wurde der Widerspruch des Klägers als unbegründet zurückgewiesen. Mit Schreiben vom 25.4.2013 sei der Kläger aufgefordert worden, sich am 14.5.2013 bei Dr. C., Facharzt für Innere Medizin, C-Straße in A-Stadt zu melden. Das Aufforderungsschreiben habe eine vollständige und verständliche Belehrung über die möglichen Rechtsfolgen enthalten. Dennoch sei der Kläger der Meldeaufforderung vom 25.4.2013 nicht nachgekommen. Ein wichtiger Grund sei hierfür nicht nachgewiesen worden. Der wichtige Grund sei nach objektiven Maßstäben zu beurteilen; er sei dann anzunehmen, wenn es bei Abwägung der individuellen Interessen mit den Interessen der Allgemeinheit unzumutbar war, der Aufforderung nachzukommen.
Die Verwechslung eines Termins sei kein wichtiger Grund im Sinne der gesetzlichen Regelung. Von einem Erwachsenen könne erwartet werden, dass er sich so organisiere, dass er Termine rechtzeitig wahrnehme. Das Argument, die Anfahrt habe 70 Minuten betragen und der Kläger sei (noch) nicht gut zu Fuß, könne ebenfalls nicht durchgreifen, da der überwiegende Teil der Strecke mit Bus und U-Bahn zurückgelegt werden könne und ein Nachweis, dass die Fußstrecken aktuell aus gesundheitlichen Gründen nicht zumutbar gewesen wären, nicht erbracht wurde. Die Voraussetzungen für eine Absenkung des Arbeitslosengeldes II um 10 % der maßgebenden Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts seien daher erfüllt. Die Sanktion umfasse die Kalendermonate 1.6.2013 bis 31.8.2013. Nachdem durch ein vorangegangenes Meldeversäumnis die Leistung in den Monaten von Mai bis Juli 2013 um bereits 10 % abgesenkt worden sei, betrage die tatsächliche Minderung in den sich überlappenden Monaten Juni und Juli 2013 jeweils 76,40 €. Für den Sanktionszeitraum vom 1.6.2013 bis 31.8.2013 verblieben dem Kläger monatlich Leistungen in Höhe von jeweils 305,60 € im Juni und Juli 2013 und im August 2013 343,80 €. Der Widerspruch habe deshalb keinen Erfolg haben können.
Dagegen erhob der Kläger am 09.07.2013 Klage zum Sozialgericht München. Der Kläger sei mit Schreiben vom 25.4.2013 zu einer ärztlichen Untersuchung am 14.5.2013 um 10: 15 Uhr geladen worden, habe jedoch den Termin verwechselt und sich deshalb erst am 15.5.2013 an besagter Stelle eingefunden. Dort sei ihm mitgeteilt worden, dass er einen Tag zu spät gekommen sei. Die Bitte des Klägers, die angesetzte ärztliche Untersuchung dennoch durchzuführen, sei ihm durch den Arzt verweigert worden. Die Aussage der Widerspruchsstelle, der Kläger habe der Meldeauffo...