Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Gebrauchsfertigmachen von Calciumfolinat in Apotheke und nicht in Arztpraxis. keine Unwirtschaftlichkeit der Verordnungsweise

 

Leitsatz (amtlich)

1. Es besteht keine Unwirtschaftlichkeit der Verordnungsweise nach § 14 Prüfungsvereinbarung, wenn das Gebrauchsfertigmachen von Calciumfolinat nicht in der Arztpraxis, sondern in der Apotheke vorgenommen wird (aA LSG München vom 20.8.2018 - L 12 KA 3/17; SG München vom 19.10.2016 - S 21 KA 665/13)

2. Das Gebrauchsfertigmachen von Calciumfolinat ist nicht in einer Arztpraxis darstellbar und deshalb für den Vertragsarzt unzumutbar. Es kann nicht mehr von einer geradezu selbstverständlichen notwendigen Vorbereitungshandlung im Sinne der BSG- Rechtsprechung ausgegangen werden.

3. Maßgeblich kommt es auf den mit dem Gebrauchsfertigmachen verbundenen notwendigen räumlich-apparativen, personellen und zeitlichen Aufwand sowie auf die Patientenvulnerabilität an.

4. Das Gebrauchsfertigmachen von Calciumfolinat ist der Risikoklasse "Mittel" zuzuordnen. Deshalb sind an den Vorgang des Gebrauchsfertigmachens hohe Anforderungen insbesondere, was die Sterilität betrifft, zu stellen. Als Orientierungsmaßstab kann die "Auslegungshilfe für die Überwachung der erlaubnisfreien Herstellung von sterilen Arzneimitteln, insbesondere Parenteralia durch Ärzte oder sonst zur Heilkunde befugte Personen gem § 13 Abs 2b Arzneimittelgesetz (AMG)" dienen.

 

Tenor

I. Die Bescheide der Beklagten, betreffend die Quartale 3/04, 4/2004 und 1/2005 werden, soweit sie sich auf Folinsäuere und Bisphosphonate beziehen, aufgehoben.

Der Beklagte wird verpflichtet, insoweit über die Widersprüche der Klägerin erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

Die Bescheide des Beklagten, betreffend die Quartale, 4/2004 und 1/2005 werden aufgehoben, soweit sie sich auf MAK’s beziehen.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Gegenstand der zum Sozialgericht München eingelegten Klagen sind die Bescheide des beklagten Beschwerdeausschusses. Dieser führte eine Prüfung der Verordnungstätigkeit Arzneikosten gemäß § 14 der Prüfungsvereinbarung (PV) für die Quartale 3/04, 4/04 und 1/05 durch. Nach Prüfung wurden Regresse in Höhe von 4.674,36 € (Quartal 3/04), 11.880,32 € (Quartal 4/04) und 12.054,61 € (Quartal 1/05) ausgesprochen. Insgesamt beliefen sich die Regresse auf 28.609,29 €. In den strittigen Quartalen wurden die Verordnungen von einer Gemeinschaftspraxis, bestehend aus zwei Fachärzten für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Onkologie vorgenommen. Der Beschwerdeausschuss begründete die Regresse damit, die Verordnungsweise sei unwirtschaftlich, denn die Gemeinschaftspraxis habe Calciumfolinat verordnet und in einer Apotheke zubereiten lassen, statt dieses als Rezepturarzneimittel zu verordnen und selbst zuzubereiten.

Der Entscheidung des Beschwerdeausschusses ging eine umfangreiche Widerspruchsbegründung voraus. Die Klägerseite wies auf ein Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt ...vom 8.9.2005 hin, wonach der Herstellung in der Apotheke der Vorzug einzuräumen sei. Ferner wurde auf Entscheidungen des Beschwerdeausschusses Hamburg hingewiesen. Dieser habe es nicht für unwirtschaftlich angesehen, wenn Calciumfolinat in der Apotheke zubereitet werde. Des Weiteren berief sich die Klägerseite auf ein Schreiben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) vom 20.2.2002. Die Zubereitung von Calciumfolinat in der Praxis sei nach der Onkologie-Vereinbarung nicht der Regelfall.

In seinen Entscheidungen führte der Beklagte aus, die Prüfanträge der AOK seien nicht unzulässig (es wurden dort andere Präparate genannt; auch bezogen sich die Prüfanträge auf eine andere Arztpraxis). Zu unterscheiden sei zwischen der Verordnung von Zytostatika, Monoklonalen Antikörpern (MAK), Bisphophonaten und der Begleitmedikation. Auch für den Beschwerdeausschuss stehe fest, dass, um das sterile Fertigarzneimittel für die parenterale Applikation in anwendungsfertige Form zu bringen, eine aseptische Arbeitsweise von Nöten sei. Die aseptische Arbeitsweise sei aber originärer Bestandteil des ärztlichen Berufsbildes. So sei eine aseptische Arbeitsweise auch zwingend bei Punktionen und der Durchführung der Dialyse. Der Begriff Sterilität sei nicht steigerungsfähig. Es handle sich bei Calciumfolinat nicht um ein toxisches Arzneimittel, so dass besondere Aspekte des Personenschutzes nicht zu beachten seien. Die Zubereitung von nicht toxischen parenteralen Fertigarzneimitteln sei von den Ärzten selbst durchzuführen. Die durch die Beauftragung einer Apotheke verursachten Mehrkosten seien als unwirtschaftliche Mehraufwendungen zu qualifizieren. Die Verfahren wurden zur mündlichen Verhandlung am 6.3.2013 terminiert, jedoch im Hinblick auf anhängige Verfahren vor dem Bayerischen Landessozialgericht (Az L 12 KA 60/12 und L 12 KA 61/12) vertagt.

Der Beklagte teilte dann mit Schreiben vom 29.8.2018 mit, der Prüfantrag, betreffend MAK sei von der Beigel...

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