Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung: Voraussetzung der Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung als Folge eines Arbeitsunfalls
Orientierungssatz
Die Annahme einer posttraumatische Belastungsstörung als Folge eines Arbeitsunfalls scheidet aus, wenn der Arbeitsunfall in einem Autounfall bestand und eine psychische Symptomatik erstmals mehrere Jahrzehnten (hier: 40 Jahre) nach dem Unfallereignis festgestellt wurde.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist die Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung als Unfallfolge.
Der 1932 geborene Kläger erlitt am 28.06.1971 einen Arbeitsunfall, als er im Rahmen einer Dienstfahrt mit einem entgegenkommenden, ins Schleudern geratenen Fahrzeugs kollidierte. Er erlitt dabei zahlreiche Verletzungen, u.a. eine Schädelprellung mit Verdacht auf Gehirnerschütterung.
Die Beklagte gewährte dem Kläger zuletzt Rente auf unbestimmte Zeit nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 80 v. H. Im Jahre 2002 wurde Pflegebedürftigkeit anerkannt in Höhe von 20 Prozent.
An Unfallfolgen bestehen: Bewegungseinschränkungen des linken Hüft- und Kniegelenkes nach Oberschenkelfrakturen sowie des rechten oberen und unteren Sprunggelenkes nach Knöchelfrakturen, eine Beinverkürzung links, eine Muskelminderung des linken Beines, Weichteilverkalkungen am linken Hüftgelenk, eine O-Beinstellung links und Blutumlaufstörungen bei postthrombotischem Syndrom der Unterschenkel mit wiederkehrender Geschwürsbildung.
Unfallunabhängig bestehen folgende Gesundheitsstörungen: eine Krallenstellung der Zehen, arthrotische Veränderungen der Kniegelenke, degenerative Schultergelenksveränderungen mit Bewegungseinschränkung, eine Torsionsskoliose der Wirbelsäule, eine Blockwirbelbildung des 3. bis 5. Halswirbelkörpers, ein latentes Karpaltunnelsyndrom rechts, Bluthochdruck mit Herzleistungsschwäche, eine chronische Bronchitis, eine Hörminderung beiderseits, eine zerebrovaskuläre Insuffizienz bei Encephalopathie und Insult, Stenosen der A. carotis interna beiderseits, Konzentrationsstörungen, eine Minderung der Gedächtnisleistung, eine Affektlabilität, depressive Verstimmungen und ein hypokinetisch-rigides Syndrom.
Im Juli 2002 beantragte der Kläger u.a. eine posttraumatische Belastungsstörung als Unfallfolge anzuerkennen.
Die Beklagte legte dazu sämtliche medizinischen Unterlagen ihrem beratenden Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Dr. X. zur Stellungnahme vor. Dieser gelangte zu dem Ergebnis, das der schlüssige Nachweis einer unfallursächlichen posttraumatischen Belastungsstörung nicht geführt werden könne, weil nachweislich bis zum Jahresende 1973 als ca. 2,5 Jahre nach dem Unfall, keine psychopathologischen Auffälligkeiten bei dem Kläger diagnostiziert worden seien. Zeitnah zum Unfall seien keine akuten seelischen Belastungsreaktionen aufgetreten.
Mit Bescheid vom 18.07.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.05.2014 lehnte die Beklagte daraufhin die Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung ab.
Wegen dieser Entscheidung hat der Kläger am 10.06.2014 Klage erhoben. Er behauptet im Wesentlichen, eine posttraumatische Belastungsstörung sei als Unfallfolge anzuerkennen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 18.07.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.05.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, eine posttraumatische Belastungsstörung als Folge des Arbeitsunfalls vom 28.06.2971 anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich in ihrer Klageerwiderung im Wesentlichen auf die Gründe der angefochtenen Bescheide.
Auf Antrag des Klägers im Rahmen von § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Gericht ein Gutachten von dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. T. eingeholt. Der Sachverständige ist zu dem Ergebnis gelangt, es liege eine depressive Anpassungsstörung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit mit ausgeprägten depressiven, somatoformen und posttraumatischen Störungen vor.
Das Gericht hat den Kläger sodann von Amts wegen von dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. C. untersuchen und begutachten lassen. Der Sachverständige ist zu dem Ergebnis gelangt, dass auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet keine Unfallfolgen vorlägen. Bei einer posttraumatischen Belastungsstörung zeigten sich im Prinzip dieselben Verlaufsdaten wie bei körperlichen Verletzungsfolgen, nämlich die maximale Ausprägung der Symptomatik unfallnah mit dann langsamer Abschwächung bis zur Ausheilung oder auch zum chronischen Dauerzustand. Ein Unfall, wie er hier zur Debatte stehe, bedinge nicht als selbstverständliche Unfallfolge eine posttraumatische Belastungsstörung.
Der Kläger beantragte daraufhin, das Einholen einer weiteren Stellungnahme von Dr. C.. Dem Sachverständigen sei zwingend das Urteil (Az.: L 7 VU 21/05) des LSG NRW vorzulegen. In dem Urteil seien die Anerkennungskriterien für eine posttraumatische Belastungsstörung ...