Entscheidungsstichwort (Thema)
Rücknahme eines vor 1981 erlassenen rechtswidrigen Beitragserstattungsbescheides. Verwaltungsakt mit Doppel- oder Mischwirkung
Orientierungssatz
1. Die Versicherte beansprucht zu Recht die Rücknahme eines nach § 1303 RVO aF vor 1981 erlassenen, aber nicht mehr bei den Akten befindlichen, nicht reproduzierbaren und nicht vorzulegenden rechtswidrigen Beitragserstattungsbescheides nach § 44 SGB 10.
2. Bei einem Beitragserstattungsbescheid handelt es sich nicht lediglich um einen begünstigenden, sondern auch um einen belastenden Bescheid (Entgegen BSG vom 22.3.1984 - 11 RA 22/83 = SozR 1300 § 45 Nr 7 und BSG vom 2.12.1987 - 1 RA 23/87 = SozR 2200 § 1303 Nr 33). Wenn derselbe Adressat durch einen Verwaltungsakt begünstigt und belastet zugleich ist - Verwaltungsakt mit Doppel- oder Mischwirkung -, kommt es im Hinblick auf § 44 SGB 10 zumindest in solchen Fällen, in denen ungünstige und günstige Folgen untrennbar verknüpft sind, darauf an, aus wessen Perspektive die Vor- oder Nachteile zu bewerten sind und auf welchen Teil des Verwaltungsaktes abzustellen ist.
Nachgehend
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 25.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.01.2012 und Zug um Zug gegen Rückerstattung von 132,46 EUR durch die Klägerin verurteilt, den Beitragserstattungsbescheid und den Bescheid vom 16.04.2004 aufzuheben und ab 01.01.2006 Altersrente zu zahlen unter Berücksichtigung von Ersatzzeiten vom 29.07.1945 bis 31.07.1947, Kindererziehungs- und -berücksichtigungszeiten für die Tochter C. Klägerin, Beitragszeiten ab 01.08.1947 bis 23.10.1957 im Umfang von 54 Monaten entsprechend dem Vermerk der Beklagten vom 25.10.2007 auf Bl. 374 Bd. III Verwaltungsakte.
Die Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rücknahme eines Beitragserstattungsbescheides sowie über die Bewilligung einer Altersrente nach § 44 SGB X.
Für die am 00.00.1931 geborene Klägerin ist in der Vergangenheit zu einem Zeitpunkt wahrscheinlich nach dem 23.10.1959 eine Beitragserstattung nach § 1303 RVO alter Fassung (a. F.) unter der rechtlichen Voraussetzung fehlender Wartezeit durchgeführt worden. Der dazu erteilte Bescheid ist nicht aktenkundig, sein Datum ist nicht bekannt. In den vorliegenden Verwaltungsakten finden sich unvereinbare Feststellungen, welche Zeiten für die Erstattung herangezogen worden sein sollen. Nach einem Vermerk vom 25.10.2007 soll es sich um Zeiten zwischen dem 01.08.1947 und 23.10.1957 im Umfang von 54 Monaten handeln (Bd. III Bl. 374), von denselben Zeiten geht auch der 8. Senat des Landessozialgerichts in seinem Urteil vom 29.06.2005 aus. Zuvor ist in einem Bescheid vom 14.09.1994 von berücksichtigten Zeiten ab dem 01.01.1945, d. h. vor dem 14. Geburtstag, ausgegangen worden. Der Bescheid vom 14.09.1994 erkennt erstmals Ersatzzeiten vom 29.07.1945 bis 31.12.1946 an auf der Basis einer bei der Stadtverwaltung X. abgegebenen eidesstattlichen Versicherung der Klägerin vom 16.03.1994. Ein Überprüfungsantrag der Klägerin wurde im Jahre 2003 abgelehnt, die dagegen erhobene Klage wurde durch Gerichtsbescheid vom 01.03.2005, Az. S 9 RJ 14/08, abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung wurde durch das erwähnte Berufungsurteil vom 29.06.2005 (Az. L 8 R 53/05) zurückgewiesen. Während der Dauer des Rechtsstreits wurde ein Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Altersrente durch Bescheid vom 16.04.2004 abgelehnt wegen Nichterfüllung der Wartezeit nach Erstattung.
Ein Antrag der Klägerin auf Rücknahme des Beitragserstattungsbescheides wurde mit Bescheid vom 05.12.2003 und Widerspruchsbescheid vom 06.02.2004 abgelehnt. Auf ein weiteres nicht aktenkundiges Schreiben der Klägerin vom 03.08.2008 erteilte die Beklagte unter dem 14.08.2008 einen Versicherungsverlauf, ein Bescheid ist nicht aktenkundig. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies sie zurück mit Widerspruchsbescheid vom 16.10.2008, die darauf erhobene Klage S 9 (4) R 142/08 wurde abgewiesen mit Urteil vom 27.01.2010. Die dagegen eingelegte Berufung Az. L 3 R 142/10 wurde mit Urteil vom 17.05.2010 zurückgewiesen, da nur ein Versicherungsverlauf erkennbar und Regelaltersrente nicht abgelehnt worden sei. In einem weiteren Rechtsstreit wurde vor dem 18. Senat des Landessozialgerichts zu Az. L 8 R 362/11 am 15.11.2011 ein Vergleich geschlossen, in dem sich die Beklagte zur Neubescheidung verpflichtete unter Berücksichtigung von Schreiben der Klägerin vom 02. und 16.08. sowie vom 15.10.2010. Hierzu erteilte die Beklagte den angefochtenen Bescheid vom 25.11.2011 und den Widerspruchsbescheid vom 19.01.2012.
Das Schreiben der Klägerin dazu vom 25.01.2012 enthält ausdrücklich die Überschrift: Klage. Es befindet sich in Kopie bei den Akten der Beklagten, ist von der Beklagten im Original aber nicht vorgelegt worden und kann nach deren Vorbringen auch nicht vor...