Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Ausländer ohne Aufenthaltsrecht oder bei Aufenthalt zur Arbeitsuche. Unionsbürger. Fortbestehen des Freizügigkeitsrechts. Fortwirkung der Arbeitnehmereigenschaft. Bestätigung der Agentur für Arbeit über die Arbeitslosigkeit. fehlende Bestätigung der Unfreiwilligkeit
Leitsatz (amtlich)
Die Bestätigung der zuständigen Agentur für Arbeit iSd § 2 Abs 3 FreizügG/EU (juris: FreizügG/EU 2004) betrifft nur die Arbeitslosigkeit, nicht aber deren Frei- bzw Unfreiwilligkeit.
Tenor
I. Der Bescheid des Beklagten vom 20.09.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.01.2020 wird aufgehoben.
II. Die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers sind vom Beklagten zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen eine Aufhebung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Monate Oktober und November 2019.
Der am XX.XX.XXXX geborene Kläger ist griechischer Staatsbürger und reiste am 17.01.2015 nach Deutschland ein. Er war vom 16.03.2015 bis 21.04.2015 als Helfer bei der Zeitarbeitsfirma F. und vom 01.05.2015 bis 31.12.2017 als Fahrzeugpfleger beim Unternehmen C. beschäftigt. Ab dem 02.03.2020 war er als Helfer bei der Firma A. eingestellt.
Im Anschluss an seine Beschäftigung bei C. bezog der Kläger vom 23.01.2018 bis 30.12.2018 Arbeitslosengeld. Mit Bescheid vom 18.02.2019 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum Januar 2019 bis Mai 2019.
Am 15.04.2019 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass seine bis dato von ihm getrennt lebende Ehefrau wieder zurück sei und sie wieder zusammenleben würden. Zugleich beantragte der Kläger die Weiterbewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.
Mit Bescheid vom 02.05.2019 bewilligte der Beklagte dem Kläger in Bedarfsgemeinschaft mit seiner Ehefrau für den Zeitraum Juni 2019 bis November 2019 vorläufig Leistungen in Höhe von monatlich insgesamt 1.089 €, von denen auf den Kläger ein hälftiger Betrag von 544,50 € entfiel.
Am 27.06.2019 schlossen der Kläger und seine Ehefrau jeweils einen Arbeitsvertrag mit der D. GmbH und Co. KG (R). Das Arbeitsverhältnis begann zum 01.07.2019 und lief auf unbestimmte Zeit. Es wurde eine Probezeit vereinbart, die am 31.12.2019 endete. Am 04.07.2019 wurde dem Kläger und seiner Ehefrau jeweils das Arbeitsverhältnis zum 06.07.2019, hilfsweise zum nächstzulässigen Zeitpunkt, gekündigt.
Mit Bescheid vom 15.07.2019 bewilligte der Beklagte dem Kläger und seiner Ehefrau für August 2019 vorläufig Leistungen in Höhe von 799,34 €.
Zum 28.07.2019 zog die Ehefrau des Klägers wieder aus der gemeinsamen Wohnung aus und meldete sich vom Wohnsitz in N. ab. Der Kläger bestätigte gegenüber dem Beklagten, dass er seit dem 24.07.2019 wieder getrennt von seiner Ehefrau lebe. Mit Änderungsbescheid vom 24.07.2019 bewilligte der Beklagte dem Kläger ab August 2019 bis November 2019 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 544,50 €. Am 01.08.2019 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass er seine Lohnabrechnung für Juli 2019 von R erst Ende August 2019 bekomme. Mit weiterem Änderungsbescheid vom 09.08.2019 bewilligte der Beklagte dem Kläger (u.a.) für den Zeitraum August bis November 2019 vorläufig Leistungen in Höhe von monatlich 749 €.
Am 19.08.2019 schrieb der Beklagte R an und bat um Auskunft über die Umstände der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses mit dem Kläger. Am gleichen Tag legte der Kläger seine Lohnabrechnung durch R für den Monat Juli 2019 vor. R teilte dem Beklagten über ihre Mitarbeiterin Frau P. mit Erklärung vom 28.08.2019 mit, dass der Kläger am 01.07.2019 seine Tätigkeit im Unternehmen B. begonnen habe. Am 02.07.2019 habe er sich direkt bis zum 12.07.2019 krank gemeldet. Er und seine Ehefrau hätten sich geweigert, wieder zurück in den Einsatz bei B. zu gehen, weil es ihnen dort am 1. Tag nicht gefallen habe. Daher habe man ihnen während der Probezeit gekündigt. Der Kläger seinerseits gab am 03.09.2019 gegenüber dem Beklagten an, dass seine Beschäftigung in der Probezeit gekündigt worden sei, weil er sich wegen seiner Deutschkenntnisse nicht habe verständigen können.
Die Beigeladene übersandte dem Beklagten eine Bestätigung vom 12.09.2019, wonach kein Fall der unfreiwilligen Arbeitslosigkeit vorliege. Das begründete die Beigeladene damit, dass der Arbeitgeber - R - zum Zeitpunkt der Einstellung des Klägers dessen Deutschkenntnisse als ausreichend betrachtet habe.
Mit Schreiben vom 20.09.2019 hörte der Beklagte den Kläger zu einer beabsichtigten Aufhebung der Leistungsbewilligung für den Zeitraum Juli bis September 2019 und zur Erstattung erbrachter Leistungen in Höhe von insgesamt 1.954,05 € an. Zugleich hob der Beklagte mit Bescheid vom 20.09.2019 die Bescheide vom 02.05.2019, 15.07.2019, 24.07.2019 und 09.08.2019 für den Zeitraum ab 01....