Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Krankenversicherung: Anforderung an die Annahme einer Arbeitsunfähigkeit bei der Möglichkeit zum Einsatz auf einem leidensgerechten Arbeitsplatz
Orientierungssatz
Eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit eines sozialversicherungspflichtig beschäftigten Arbeitnehmers kann auch dadurch beendet werden, dass ihm vom Arbeitgeber ein anderer Arbeitsplatz zugewiesen wird, dem er gesundheitlich gewachsen ist. Dabei kommt es für die Annahme einer Beendigung der Arbeitsunfähigkeit allerdings allein auf die tatsächliche Zuweisung an, nicht schon auf die Möglichkeit des Einsatzes auf einem anderen Arbeitsplatz.
Tenor
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, der Antragstellerin über den 7. November 2014 hinaus bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu zahlen, solange die Arbeitsunfähigkeit der Antragstellerin ärztlich bescheinigt wird.
Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin.
Gründe
I
Zwischen den Beteiligten ist in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren die Gewährung von Krankengeld streitig.
Die 1957 geborene Antragstellerin ist bei der Antragsgegnerin gesetzlich krankenversichert und bezog von ihr Krankengeld. Sie befindet sich bei der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie ... in psychiatrischer Behandlung.
Die Antragsgegnerin lehnte es nach Einholung einer Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) mit Bescheid vom 16. Oktober 2014 ab, der Antragstellerin über den 28. Oktober 2014 hinaus Krankengeld zu gewähren. Sie begründete die Ablehnung damit, dass kein medizinisches Problem vorläge, welches die Rückkehr an den Arbeitsplatz verhindere, sondern vielmehr die Arbeitsplatzsituation geklärt werden müssen.
Die Antragstellerin erhob gegen den Bescheid Widerspruch und suchte mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 24. Oktober 2014 um Gewährung einstweiligen Rechtschutzes beim Sozialgericht Osnabrück nach.
Die Antragstellerin trägt vor, sie sei seit fast 40 Jahren in einem lediglich vier Mitarbeiter umfassenden Kleinbetrieb angestellt. ln den zurückliegenden drei Jahren der Beschäftigung habe sie in Teilzeit an drei Tagen gearbeitet. Seit dem 4. Oktober 2013 sei sie durchgängig arbeitsunfähig krankgeschrieben gewesen. Diese Krankschreibung dauere an. Die ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für die Zeit über den 28. Oktober 2014 seien lückenlos der Antragsgegnerin vorgelegt worden. ln der Zeit vom 29. Oktober 2014 bis zum 7. November 2014 habe sie sich im Ausland befunden und einen Antrag bei der Antragsgegnerin auf Zustimmung zu der Ortsabwesenheit gestellt.
Die Antragstellerin beantragt,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihr dem Grunde nach Krankengeld auch über den 28. Oktober 2014 zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die Antragsgegnerin meint, es lägen weder Anordnungsanspruch noch -grund vor. Sie glaubt, es lägen keine medizinischen Gründe für eine Arbeitsunfähigkeit der Antragstellerin vor. Das Problem liege konkret am Arbeitsplatz. Der Antragstellerin sei ein Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache zumutbar.
Hinsichtlich der näheren Einzelheiten wird auf die Inhalte der Gerichtsakte und des 12seitigen unvollständigen Verwaltungsvorgangs der Antragsgegnerin verwiesen.
II
Der zulässige Antrag ist im Wesentlichen begründet.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
Das ist dann der Fall, wenn dem Antragsteller ohne eine solche Anordnung schwere oder unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. Eine solche Regelungsanordnung setzt voraus, dass der Antragsteller einen Anordnungsgrund, das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit, und einen Anordnungsanspruch, das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den sich das Begehren stützt, glaubhaft gemacht hat, § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit den §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO).
Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch für die Zeit über den 7. November 2014 hinaus glaubhaft gemacht.
Gemäß § 44 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung behandelt werden. Der Anspruch entsteht nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V - soweit keine Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung vorliegt - von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen F...