Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Vermögensberücksichtigung. Lebensversicherung. keine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit oder besondere Härte
Leitsatz (amtlich)
1. Für die Frage der offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit nach § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 SGB 2 ist im Falle der Verwertung einer Lebensversicherung vorrangig auf den Vergleich von eingezahltem Geld zum jetzigen Rückkaufswert abzustellen. Ergänzend ist auf Chance bzw Anwartschaft abzustellen, die durch den Verkauf verlorengeht. Diese Chance stellt die Gewinnmöglichkeit bei Vollendung des Vertrags dar.
2. Eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit liegt bei einem aktuellen Verlust von ca 15% jedenfalls dann noch nicht vor, wenn die Gewinnchance, die dadurch verloren geht, gering ist (hier weniger als 2,5% des Verkehrswerts).
3. Für eine besondere Härte nach § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 SGB 2 müssen wesentliche Versorgungslücken vorliegen. Vergleichsmaßstab ist die Erwerbsbiographie eines Selbstständigen. Zeiten der Arbeitslosigkeit sind hierbei nicht zu berücksichtigen. Zukünftige Versorgungslücken müssen hinreichend wahrscheinlich sein.
Tenor
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
2. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Eilrechtschutz die Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).
Der 1961 geborene Kläger absolvierte nach dem Hauptschulabschluss im Jahre 1976 und einem anschließenden Praktikum in der Zeit von April 1977 bis März 1980 eine Tischlerlehre. Anschließend stand er bis zum 31.01.2003, bis auf die Zeit vom 01.04.1981 bis 08.07.1982, in einem Arbeitsverhältnis als Maschinenführer in der E. in F.. In der Zeit vom 01.02.2003 bis 31.03.2003 war der Antragsteller arbeitslos. In der Zeit von April 2003 bis zum 20.09.2003 stand er in einem Arbeitsverhältnis als Geldtransportfahrer bei der Firma G. in H.. Anschließend war der Kläger bis einschließlich September 2005 arbeitsuchend. In der Zeit vom 01.10.2005 bis 14.09.2007 stand er in einem Arbeitsverhältnis als Kurierfahrer bei der Firma I. in F..
Der Antragsteller ist an einer sich auf seine Gelenke auswirkenden Schuppenflechte erkrankt (Psoriasis arthropathica). Nach einem Attest des behandelnden Arztes vom 09.01.2009 ist die Einsetzbarkeit des Antragstellers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wegen dieser Erkrankung eingeschränkt. Ideal seien Tätigkeiten in wechselnden Körperhaltungen ohne Heben und Tragen schwerer Lasten und ohne Zwangshaltungen.
Der Antragsteller hat eine Lebensversicherung bei der J., auf die er seit dem 01.11.1982 zahlt. Die Versicherung läuft regulär bis zum 01.11.2013. Eingezahlt hat der Antragsteller bislang 16.745.56 EUR. Die Versicherungssumme beträgt 20.163,00 €. Ausweislich eines Schreibens dieser Versicherungs-AG vom 20.04.2009 hatte die Lebensversicherung zu diesem Zeitpunkt einen Rückkaufswert von 1.150,54 € und ein Gewinnguthaben von 12.982,88 €, insgesamt also einen Rückzahlungswert von 14.133,12 EUR. Nach einer im Antragsverfahren eingeholten weiteren Auskunft der K. betragen Rückkaufs- und Gewinnguthaben zum 01.07.2009 1.261,43 EUR bzw. 13.134,31 EUR.
Der Antragsteller stand zunächst auf seinen Erstantrag vom 10.11.2004 ab dem 01.01.2005 bei dem Antragsgegner in Bezug von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II. In der Zeit von November 2008 bis zum 15.04.2009 war er vollschichtig bei der Firma L. in M. beschäftigt und nicht in Bezug von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende. Mit Schreiben vom 15.03.2009 wurde dieses Arbeitsverhältnis zum 15.04.2009 gekündigt (vgl. Bl. 276 der VA). Am 16.04.2009 schloss der Antragsteller mit dieser Firma einen erneuten Arbeitsvertrag nunmehr aber auf 400 € Basis (vgl. Bl. 577 ff. der VA). Daraufhin stellte der Antragsteller am 02.04.2009 erneut einen Antrag auf Leistung zur Grundsicherung für Arbeitsuchende (Bl. 260 ff. der VA).
Diesen Antrag wies der Antragsgegner mit Bescheid vom 29.04.2009 zurück. Wenn die Lebensversicherung zum 01.04.2009 aufgelöst würde, so würde ein Betrag in Höhe von 14.133,42 EUR ausgezahlt. Der Vermögensfreibetrag nach § 12 SGB II betrage hier jedoch lediglich 7.800,00 EUR, sodass der Antragsteller über ein übersteigendes Vermögen von 6.333,47 EUR verfüge.
Mit Schreiben vom 04.05.2009 legte der Antragsteller gegen den Bescheid vom 29.04.2009 Widerspruch ein. Die Lebensversicherung diene der Absicherung. Es sei der Gedanke der derzeitigen Bundesregierung privat für das Alter vorzusorgen. Das derzeitige Rentenversicherungssystem sei außer Stande Rentenzahlung für die Zukunft sicherzustellen. Mit dem angegriffenen Bescheid werde diese Gesetzeslage konterkariert. Zudem sei die Auflösung der Lebensversicherung unverhältnismäßig. Gerade in den letzten Jahren würde sich eine Lebensversicherung rentieren. Die Unverhältnismäßigkeit ergäbe sich zudem daraus, dass die Lebensversicherung bereits seit 1982 bestehe. Zudem könne die Verw...