Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der Berücksichtigung von Elterngeld als Einkommen bei der Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung
Orientierungssatz
1. Elterngeld und vergleichbare Leistungen werden bei der Berechnung der Leistungen nach dem SGB 2 seit dem 1. 1. 2011 in vollem Umfang als Einkommen nach § 11 SGB 2 berücksichtigt. Die gesetzliche Regelung ist verfassungsgemäß.
2. Insbesondere ist Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht verletzt. Gesetzesänderungen, die mit Wirkung für die Zukunft in bestehende Rechtspositionen eingreifen, sind verfassungsrechtlich zulässig, wenn das schutzwürdige Bestandsinteresse des Einzelnen die gesetzlich verfolgten Gemeinwohlinteressen bei der gebotenen Interessenabwägung nicht übersteigt.
3. Auch das Gleichheitsgebot des Art. 3 GG ist nicht verletzt. Hinsichtlich der Zahlung des Elterngeldes werden alle elterngeldberechtigten Personen ebenso gleichbehandelt, wie hinsichtlich der Anrechnung der Leistungen auf das SGB 2 aller mit ihren Kindern in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen.
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Kinderzuschlag für die Monate Januar bis März 2011.
Nachdem dem Kläger von der Beklagten Kinderzuschlag für seine Kinder D., geb. E., F., geb. G., und H., geb. I., bis zum 31.12.2010 gewährt worden war, lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Weiterzahlung vom 17.12.2010 mit Bescheid vom 22.12.2010 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass das Einkommen der Familie des Klägers die Bedarfsgrenze überschreite. Der Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft werde durch das Einkommen und Vermögen gedeckt.
Am 14.01.2011 legte der Kläger Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.02.2011 zurückwies. Das anrechenbare Einkommen für beide Elternteile betrage 1.447,18 €. Dabei sei das Einkommen des Klägers in Höhe von 1.072,18 € anrechenbar. Es ergebe sich aus dem durchschnittlichen Bruttoverdienst (1.732,59 €) abzüglich Steuern und Sozialversicherungsbeiträge (350,41 €), Aufwendungen für Erwerbstätigkeit (Pauschale von 100,- €, in denen Fahrten zur Arbeitsstätte, die Kfz-Haftpflichtversicherung und eine Pauschale für Beiträge zu privaten Versicherungen enthalten seien) und eines Freibetrages für Erwerbstätigkeit nach § 30 SGB II (210,- €). Zudem sei das der Ehefrau des Klägers gewährte Elterngeld in voller Höhe (375,- €) anrechenbar, da es nicht auf Einkommen aus Erwerbstätigkeit basiere. Der Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft für Januar 2011 betrage 1.338,10 € (Regelleistungen für jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft - je 323,- € pro Elternteil, 251,- € für D. und je 215,- € für F. und H. -, Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 595,12 € abzüglich des Kindergeldes).
Am 28.03.2011 hat der Kläger Klage erhoben. Er hält § 10 Abs. 5 BEEG, auf dessen Grundlage die Anrechnung des Elterngeldes erfolgte, für verfassungswidrig. Zudem habe seine Ehefrau nur Elterngeld in Höhe von 300,- € bezogen. Die Berechnungen der Beklagten seien fehlerhaft. Das Kindergeld sei nicht als Einkommen anzusetzen.
Mit Bescheid vom 07.04.2011 bewilligte die Beklagte dem Kläger Kinderzuschlag in Höhe von monatlich 345,- € für die Zeit von April bis August 2011.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 22.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.02.2011 zu verpflichten, ihm für die Monate Januar bis März 2011 Kinderzuschlag in gesetzlicher Höhe zu zahlen,
hilfsweise, das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG aufzusetzen und dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung der Vereinbarkeit von § 10 Abs. 5 BEEG in Verbindung mit § 11 SGB II mit Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG sowie dem Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG vorzulegen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält § 10 Abs. 5 BEEG für verfassungsgemäß. Ihre Berechnungen seien zutreffend; der Bedarf sei durch das Einkommen gedeckt.
Im Klageverfahren überreichte sie korrigierte Berechnungen des Kinderzuschlags vom 23.06.2011 für die streitgegenständlichen Monate. Dabei wurde das Elterngeld der Ehefrau des Klägers in tatsächlicher Höhe von 300,- € angerechnet; abweichend von den ursprünglichen Berechnungen ging die Beklagte nunmehr von einem durchschnittlichen Bruttoeinkommen des Klägers von 1.908,09 € für die Monate Januar bis März 2011 aus. Zudem wurde das Weihnachtsgeld, das der Kläger im November 2010 erhielt, anteilig - aufgeteilt auf zwölf Monate - berücksichtigt. Das Einkommen der Bedarfsgemeinschaft überstieg ihren Bedarf jedoch auch nach dieser neuen Berechnung (vgl. Bl. 62 ff. der GA).
Die Prozessakte und die Verwaltungsakten der Beklagten waren Gegenstand der Entscheidung. Auf ihren Inhalt wird ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Kammer konnte diesen Rechtsstreit gemäß § 105 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden,...