Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhausbehandlung. Prüfungen der ordnungsgemäßen Abrechnung. Anspruch auf Aufwandspauschale. Unerheblichkeit der Fehlerverursachung durch das Krankenhaus
Leitsatz (amtlich)
1. Prüfungen der ordnungsgemäßen Abrechnung einschließlich der richtigen Kodierung fallen unter § 275 Abs 1 Nr 1 Alt 2 SGB V.
2. Für einen Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale steht es unerheblich, ob das Krankenhaus die Prüfung durch Fehler in der Abrechnung verursacht hat.
Orientierungssatz
Zu Leitsatz 1 und 2 Abweichung von BSG vom 1.7.2014 - B 1 KR 29/13 R = BSGE 116, 165 = SozR 4-2500 § 301 Nr 4 und BSG vom 22.6.2010 - B 1 KR 1/10 R = BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3.
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 300 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15. April 2015 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Zahlung einer Aufwandspauschale.
Die Klägerin ist Trägerin der. Dieses Krankenhaus ist ein für die Behandlung gesetzlich Versicherter zugelassenes Krankenhaus. Dort wurde der Patient B. (Aufnahme-Nr. C.) im Zeitraum 19. Februar 2015 bis 26. Februar 2015 vollstationär behandelt. Die Klägerin rechnete unter dem 3. März 2015 die DRG E77E ab und stellte einen Betrag von 5207,32 EUR in Rechnung, den die Beklagte zahlte. Die Beklagte informierte die Klägerin mit Prüfanzeige vom 16. März 2015 über eine eingeleitete MDK-Prüfung. Wegen der Einzelheiten wird auf die Prüfanzeige, Bl. 17 Gerichtsakte, Bezug genommen. Der MDK kam in seinem Gutachten vom 7. April 2015 nach Erörterung mit dem Krankenhaus zum Ergebnis, dass die relevanten Diagnosen korrekt seien. Daraufhin stellte die Klägerin unter dem 9. April 2015 eine Aufwandspauschale in Höhe von 300 EUR in Rechnung. Die Beklagte verweigerte die Zahlung (Schreiben vom 13. April 2015, Zugang bei der Klägerin am folgenden Tage).
Die Klägerin hat am 1. Juni 2015 Klage erhoben.
Sie trägt vor, dass eine Aufwandspauschale zu zahlen sei, da es sich vorliegend um eine Prüfung nach § 275 Abs. 1 SGB V gehandelt habe. Soweit das BSG unter Zugrundelegung des Instituts der sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung eine Aufwandspauschale nicht anerkenne, sei diese Rechtsprechung abzulehnen. Wegen der Einzelheiten wird Bezug auf die Klagebegründung und den Schriftsatz vom 2. September 2015 genommen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 300 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15. April 2015 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, dass eine Aufwandspauschale nicht zu zahlen sei. Es habe sich um eine Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit gehandelt. Nach der aktuellen Rechtsprechung des BSG sei danach eine Aufwandspauschale nicht zu zahlen.
Die Kammer hat die Verwaltungsakte der Beklagten beigezogen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig. Insbesondere steht die fehlende Durchführung des Schlichtungsverfahrens der vor dem 1. September 2015 erhobenen Klage nicht entgegen (BSG, Urteil vom 23. Juni 2015 - B 1 KR 26/14 R -, SozR 4-5560 § 17c Nr 3, Rn. 24).
Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 300 EUR nach § 275 Abs. 1c SGB V, weil die Beklagte eine Prüfung nach § 275 Abs. 1 SGB V hat durchführen lassen (1.), eine Minderung des Abrechnungsbetrages sich nicht ergab (2.) und der Klägerin ein Aufwand entstand (3.). Auf eine Veranlassung durch die Klägerin kam es nicht an (4.). Die Nebenforderung ist ebenfalls begründet (5.):
1.
Vorliegend handelte es sich um eine Prüfung nach § 275 Abs. 1 SGB V. Die Beklagte hielt dies für erforderlich (a.) und war deswegen verpflichtet bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung (b.) eine gutachterliche Stellungnahme des MDK einzuholen.
a.
Die Erforderlichkeit, ein Gutachten einzuholen, war von der Kammer nicht mehr zu prüfen. § 275 Abs. 1 räumt der Krankenkasse einen Beurteilungsspielraum für die Entscheidung ein, ein Gutachten einzuholen (Hess, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht
86. Ergänzungslieferung Juni 2015, § 275 Rn. 3; Beyer, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 275 SGB V, Rn. 11, Sichert, in: Becker/Kingreen, SGB V 4. Auflage, § 275, Rn. 3, 5). Dabei sind die Kriterien Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder Krankheitsverlauf nicht die Begutachtungsanlässe, sondern umreißen Gegenstand und Maßgaben für die Begutachtung (Sichert, in: Becker/Kingreen, SGB V 4. Auflage, § 275, Rn. 5). Ansätze für einen Beurteilungsfehler sind nicht erkennbar.
b.
Die Begutachtung im vorliegenden Fall war eine solche bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung. § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V statuiert nach seinem Wortlaut in zwei Fallgruppen eine Pflicht zur Einholung des Gutachtens:
1. bei der Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfu...