Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwerbehindertenrecht: Feststellung des Grades der Behinderung. Bildung des Gesamt-GdB bei Zusammentreffen einer chronischen Schmerzstörung und einer rheumatischen Erkrankung

 

Orientierungssatz

1. Tritt neben eine chronische Schmerzstörung als wesentliche Funktionsbeeinträchtigung noch eine entzündlich-rheumatische Erkrankung hinzu, so ist bei der Bildung des Gesamtgrades der Behinderung im Regelfall eine Erhöhung des für die Schmerzstörung zuerkannten Grades der Behinderung nicht geboten, da durch diese die wesentlichen Auswirkungen der rheumatischen Erkrankung miterfasst sind und sich die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen damit überschneiden.

2. Einzelfall zur Bewertung des Grades der Behinderung (GdB) bei einer chronischen Schmerzstörung und einer rheumatischen Erkrankung sowie Bildung des Gesamt-GdB (hier: Gesamt-GdB von 40 zuerkannt.

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Beklagte hat 20 v. H. der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.

 

Tatbestand

Im Streit steht noch die Höhe des Grades der Behinderung (GdB).

Die 1981 geborene Klägerin beantragte am 18.3.2014 beim Beklagten, den GdB festzustellen und ihr die Merkzeichen „G“, „aG“ und „H“ zuzuerkennen. Als Gesundheitsstörungen machte sie geltend: „Bandscheibenvorfall + starke Abnutzung, Spondylodese und PLIT L5/S1, Rheuma, Depressionen“.

Der Beklagte holte verschiedene Befundberichte mit weiteren Arztbriefen ein (Facharzt für und Unfallchirurgie Dr. D. vom 21.3.2014, Fachärztin für Anästhesie Dr. B. vom 25.4.2014, Facharzt für und Unfallchirurgie F. vom 27.3.2014 und 1.7.2014, Facharzt für und Unfallchirurgie C. vom 24.3.2014 und 3.7.2014, Dr. G. vom 1.4.2014, psychologischer Psychotherapeut D. vom 1.7.2014) und zog einen Entlassungsbericht der E. -Klinik, Fachklinik für Psychiatrie, psychosomatische Medizin und Psychotherapie vom 10.3.2014 bei. Für den Ärztlichen Dienst des Beklagten gelangte Dr. F. unter dem 17.7.2014 zu der Einschätzung, bei der Klägerin liege eine als „chronisches Schmerzsyndrom, somatisierte Depression“ zu bezeichnende Funktionsbeeinträchtigung vor, die einen GdB von 30 bedinge. Daneben bestehe eine „Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Zustand nach Operation“, die mit einem GdB von 10 zu bewerten sei. Der Gesamt-GdB betrage 30. Sie führte weiter aus, es handele sich um eine ausgeprägte Schmerzerkrankung mit Konzentration auf die Wirbelsäule ohne neurologische Ausfälle. Die Schmerzerkrankung sei auch nach durchgeführter Operation nicht gebessert. Eine psychotherapeutische Behandlung sei bereits eingeleitet, der Erfolg bleibe abzuwarten.

Hierauf gestützt, stellte der Beklagte mit Bescheid vom 21.7.2014 ab 18.3.2014 den GdB mit 30 fest. Zugleich lehnte er es ab, Merkzeichen zuzuerkennen.

Am 29.7.2014 erhob die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigten Widerspruch. Es seien ein GdB von mindestens 50 festzustellen und das Merkzeichen „G“ zuzuerkennen. Die Klägerin leide an den im Feststellungsbescheid genannten Funktionseinschränkungen, wobei allerdings deren Gewichtung fehlerhaft sei. Sie leide seit dem Jahre 2006/2007 an Rückenschmerzen. Erst 2014 sei erkannt worden, dass sich Wirbel abgeschliffen hätten. Seit der folgenden Operation sei die Klägerin nur noch eingeschränkt bewegungsfähig. Die Klägerin leide außerdem seit Jahren an einer Fibromyalgie. Betroffen seien Hände und Füße. Sie müsse sich einer Schmerztherapie unterziehen und leide unter nachhaltigen Einschlafstörungen. Zudem leide die Klägerin an den Folgen der Operation nach Verwachsungen im Darm- und Bauchbereich als Folgen zweier Geburten mittels Kaiserschnitt. Die Klägerin sei aufgrund des Wirbelsäulenleidens nicht in der Lage, sich in gleicher Weise fortzubewegen, wie dies ein gesunder Mensch über eine längere Wegstrecke könne. Sie müsse nach kürzester Wegstrecke bereits ihre Fortbewegung unterbrechen und sich erholen, weil sie sonst schmerzbedingt nicht in der Lage sei, sich weiter zu bewegen. Ihr sei daher das Merkzeichen „G“ zuzuerkennen.

Der Beklagte veranlasste eine weitere Stellungnahme seines ärztlichen Dienstes, die am 22.8.2014 von Dr. G. abgegeben wurde. Dieser bestätigte hierin die bisherige Einschätzung. Er führte unter anderem aus, dass das seelische Leiden mit einem GdB von 30 zutreffend bemessen worden sei. Ein schwerwiegendes organisches Leiden liege nicht vor. Eine rheumatische Erkrankung sei ausgeschlossen worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26.8.2014 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Am 23 9. 2014 hat die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigten vor dem Sozialgericht Osnabrück Klage erhoben. Der Beklagte hat am 28.11.2016 (Schriftsatz vom 23.11.2016) ein Teilanerkenntnis abgegeben, wonach der GdB ab 18.3.2014 aufgrund der Funktionsbeeinträchtigung „chronisches Schmerzsyndrom bei Depression“ mit 40 sowie das Vorliegen einer dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit festgestellt werde. Mit Bescheid vom 2.1.2017 hat der Beklagte das Teilanerkenntnis ausgefü...

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