Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Prüfung der Krankenhausabrechnung durch Medizinischen Dienst der Krankenversicherung. Aufwandspauschale. keine Differenzierung zwischen Auffälligkeits- und sachlich-rechnerischen Prüfungen

 

Orientierungssatz

Die Rechtsprechung des 1. Senats des Bundessozialgerichts zum "eigenen Prüfregime" (vgl BSG vom 1.7.2014 - B 1 KR 29/13 R = BSGE 116, 165 = SozR 4-2500 § 301 Nr 4 und vom 14.10.2014 - B 1 KR 34/13 R = SozR 4-2500 § 301 Nr 5) ist mit Gesetzeswortlaut und -systematik des § 275 Abs 1c SGB 5 nicht zu vereinbaren und verstößt daher gegen den aus Art 20 Abs 3 und Art 97 Abs 1 Grundgesetz (GG) folgenden Grundsatz der Bindung an das Gesetz (vgl SG Speyer vom 22.4.2016 - S 19 KR 370/15).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 28.03.2017; Aktenzeichen B 1 KR 23/16 R)

 

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, der Beklagten 300,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15. Juli 2015 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Berufung und Sprungrevision werden zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer Aufwandspauschale streitig.

Die bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte U. Sch. (Versicherte) befand sich vom 14. April 2015 bis zum 28. April 2015 in der P.-Klinik H.-U., deren Trägerin die Klägerin ist, in stationärer Behandlung. Die Behandlungskosten machte die P.-Klinik H.-U. gegenüber der Beklagten geltend, die die Abrechnung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) überprüfen ließ, weil sie Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Kodierung von Nebendiagnose hatte. Der MDK beanstandete die Abrechnung unter Auswertung des Krankenhausakte nicht, woraufhin die P.-Klinik Z. mit Rechnung vom 30. Juni 2015 eine Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 € gegenüber der Beklagten geltend machte und ihr eine Zahlungsfrist bis zum 14. Juli 2015 setzte. Die Beklagte verweigerte die Erfüllung.

Mit der im Oktober 2015 erhobenen Klage macht die Klägerin diesen Betrag nebst Zinsen geltend.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihr 300,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.07.2015 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, der Klägerin stehen ein Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale nicht zu, da es sich bei der Prüfung durch den MDK um eine sachlich-rechnerische Prüfung gehandelt habe, für die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts keine Aufwandspauschale anfalle.

Hinsichtlich der näheren Einzelheiten wird auf die Inhalte der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten verwiesen. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Das Gericht konnte gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erteilt haben.

Die zulässige Klage ist bis auf einen Teil der Nebenforderung im Wesentlichen begründet.

Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung einer Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 € aufgrund der Überprüfung der Abrechnung der Behandlung des Versicherten in der P.-Klinik H.-U. in der Zeit vom 14. April 2015 bis zum 28. April 2015 gemäß § 275 Abs. 1c Satz 3 in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V). Danach hat die Krankenkasse dem Krankenhaus eine Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 € zu entrichten, falls bei Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V die Prüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages führt.

Die Beklagte hat hier eine Abrechnungsprüfung durch den MDK nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V veranlasst, die nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages geführt hat. Weitere Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Aufwandspauschale sind, dass dem Krankenhaus durch eine Anforderung von Sozialdaten durch den Medizinischen Dienst gemäß § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V ein Aufwand entstanden ist (a) und das Prüfverfahren nicht durch eine nachweislich fehlerhafte Abrechnung seitens des Krankenhauses veranlasst wurde (b). Auch diese Voraussetzungen sind erfüllt. Um welche Art von Überprüfung es sich gehandelt hat, ist rechtlich unerheblich (c).

a)

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil vom 28. November 2012, B 3 KR 4/13 R mit weiteren Nachweisen), der sich die Kammer anschließt, kommt die Pflicht zur Zahlung einer Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V nur in Betracht, wenn der Medizinische Dienst auf der 3. Stufen der Sachverhaltserhebung auf Veranlassung der Krankenkasse zuvor Sozialdaten gemäß § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V zur Rechnungsprüfung beim Krankenhaus angefordert hatte.

Ein solcher Aufwand ist der Klägerin entstanden. Dem Gutachten des MDK vom 29. Juni 2015 ist zu entnehmen, das...

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