Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung durch einstweiligen Rechtschutz bei ungeklärter Zuständigkeit des Leistungsträgers
Orientierungssatz
Ist ein Hilfebedürftiger erwerbsfähig, fällt er in die Zuständigkeit des SGB 2, ist er nicht erwerbsfähig, dann in die des SGB 12. Die in § 44a SGB 2 angeordnete Regelung der Zahlung von Arbeitslosengeld 2 durch den Grundsicherungsträger darf nicht erst einsetzen, wenn zwischen beiden Leistungsträgern tatsächlich Streit über das Vorliegen von Erwerbsfähigkeit besteht. Die endgültige Zahlungspflicht des Sozialhilfeträgers gilt auch für den Fall, dass der Grundsicherungsträger von einer fehlenden Erwerbsfähigkeit ausgeht, sich aber nicht um eine Klärung der Angelegenheit mit dem zuständigen Leistungsträger des SGB 12 bemüht hat.
Tenor
1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, im Wege der einstweiligen Anordnung dem Antragsteller zu 1) vorläufig Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ab dem 14. Januar 2019 in Höhe von 240,27 Euro für Januar 2019 und ab Februar 2019 in Höhe von monatlich 424,00 Euro bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache, längstens bis zum 30. Juni 2019, zu gewähren.
2. Der Antragsgegner wird verpflichtet, im Wege der einstweiligen Anordnung dem Antragsteller zu 2) vorläufig Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II ab dem 14. Januar 2019 in Höhe von 240,27 Euro für Januar 2019 und ab Februar 2019 in Höhe von monatlich 424,00 Euro bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache, längstens bis zum 30. Juni 2019, zu gewähren.
3. Der Antragsgegner hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu erstatten, im Übrigen findet keine Kostenerstattung statt.
Gründe
I.
Die 1985 geborenen Zwillingsbrüder, die mit einem diagnostizierten frühkindlichen Autismus schwerbehindert im Sinne des § 152 SGB IX sind und Eingliederungshilfe nach dem SGB XII erhalten, stellten am 5. Oktober 2018 bei der Beigeladenen einen Antrag auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII. Mit Schreiben vom 16. Oktober 2018 leitete die Beigeladene die Anträge an den Antragsgegner wegen sachlicher Unzuständigkeit weiter und führte aus, dass die Antragsteller erwerbsfähig seien und zum leistungsberechtigten Personenkreis des § 7 SGB II gehörten. Sie wies darauf hin, dass die Weiterleitung nach § 14 SGB IX nach sich ziehe, dass eine Entscheidung in der Sache auch im Falle der Annahme der Unzuständigkeit zu treffen sei und ggf. ein Erstattungsanspruch geltend gemacht werden könne.
Die Antragsteller sind Promotionsstudenten der Philosophie im 10. Semester, wobei sie bis zum 31. Juli 2018 ein Förderstipendium der Universität P für ihr Studium in Höhe von monatlich je 825 Euro erhielten. Sie wohnen seit dem 1. Januar 2017 zusammen in einer Haushaltsgemeinschaft in einer 2-Zimmer-Wohnung im Zentrum P, wobei Vermieter der weitere Bruder der Antragsteller ist. Als Kosten der Unterkunft fallen jeweils Kosten für Grundmiete von 380 Euro und Nebenkosten von 130 Euro, insgesamt jeweils 510 Euro an. Als Einkommen steht den Antragstellern laufendes Kindergeld in Höhe von jeweils derzeit 194 Euro zur Verfügung. Die Mutter unterstützte die Antragsteller nach Wegfall der Stipendien zunächst weiter. Bis zu ihrem Einzug in die jetzige Wohnung lebten die Antragsteller bei ihrer Mutter und zahlten jeweils einen Mietzins von 250 Euro an diese.
Der Antragsgegner wies die Anträge der Antragsteller mit Bescheiden vom 14. November 2018 und vom 4. Dezember 2018 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er jeweils aus, die Antragsteller hätten kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II, weil sie sich in einer dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung befänden und stützte die Entscheidung auf § 7 Abs. 5, Abs. 6 SGB II. Die Widersprüche wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheiden vom 15. Mai 2017 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er nunmehr aus, die Antragsteller seien nicht hilfebedürftig. Mit dem Stipendium abzüglich des Freibetrags von 225 Euro und dem Kindergeld stünde ihnen ein monatliches anrechenbares Einkommen von 792 Euro zur Verfügung und könnten die Antragsteller ihren Lebensunterhalt sichern. Dabei erkannte der Antragsgegner keine Kosten der Unterkunft und Heizung an. Allein durch die Anmietung der Wohnung bestünde Hilfebedürftigkeit. Zudem sei aufgrund der umfangreichen täglichen Hilfe ein autarkes Wohnen der Antragsteller gar nicht möglich.
Die Antragsteller erhoben hiergegen Klagen vor dem Sozialgericht Potsdam, die die Kammer zu dem Aktenzeichen S 49 AS 980/17 verbunden hat. In dem Verfahren gab die Mutter der Antragsteller an, eine finanzielle Unterstützung von derzeit monatlich 900 Euro für die Antragsteller aufgrund ihrer eigenen Rente nicht mehr aufbringen zu können.
Die Antragsteller haben den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz am 14. Januar 2019 bei dem Sozialgericht Potsdam gestellt. Sie tragen zum Anordnungsgrund vor, durch die ablehnende Entscheidung des Antragsgegners sei der Lebensunterhalt...