Entscheidungsstichwort (Thema)

Kassenärztliche Vereinigung. Honorarverteilung. Neupraxis. nachträgliche Berechnung des Regelleistungsvolumens (RLV) anhand der tatsächlichen Fallzahl des Abrechnungsquartals. Begrenzung auf das durchschnittliche RLV der Arztgruppe. Honorarverteilungsgerechtigkeit leistungsgerechte Vergütung. Vorläufigkeit des Honorarbescheides. Kalkulationssicherheit

 

Orientierungssatz

1. Eine Honorarverteilungsregelung (hier: der Gesamtpartner im Land Brandenburg in der Vereinbarung zur Gesamtvergütung und zu Regelleistungsvolumina 2011 in der Fassung vom 11.8.2011 - § 17 Abs 1 M-GV/A-RLV), nach der für neu zugelassene Vertragsärzte in den ersten zwölf Abrechnungsquartalen für die Ermittlung des Regelleistungsvolumens (RLV) die tatsächliche Fallzahl des Abrechnungsquartals herangezogen wird, begrenzt auf die durchschnittliche Fallzahl der Arztgruppe unter Berücksichtigung des Tätigkeitsumfangs, ist nicht zu beanstanden.

2. Diese Regelung, allein durch Fallzahlsteigerungen den Durchschnitt der Arztgruppe zu erreichen, verstößt weder gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit noch gegen den Grundsatz der leistungsproportionalen Vergütung.

3. Neu gegründete Praxen bzw Jungpraxen müssen sofort die Gelegenheit erhalten, ihren Umsatz zu steigern, zumindest den durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe sofort erreichen zu können. Ihnen ist ein ungehindertes Wachstum zu ermöglichen. Im Fall von unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen muss es diesen ermöglicht sein, den Fachgruppendurchschnitt binnen fünf Jahren zu erreichen (vgl BSG vom 17.7.2013 - B 6 KA 44/12 R = SozR 4-2500 § 87b Nr 2).

4. Es ist jedoch nicht sachgerecht, über einen längeren Zeitraum einer Neupraxis das durchschnittliche RLV der Arztgruppe zu gewähren, unabhängig davon, welche tatsächlichen Fallzahlen erbracht und abgerechnet werden. Dies verstößt gegen den Grundsatz einer leistungsgerechten Vergütung.

5. Bei entsprechendem Hinweis auf die Vorläufigkeit des Honorarbescheides kann sich ein Vertragsarzt im Fall der nachträglichen Berechnung des RLV nicht auf die Kalkulationssicherheit berufen.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 28.06.2017; Aktenzeichen B 6 KA 89/16 B)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe des der Klägerin für das I., III. und IV. Quartal 2011 gewährten Honorars.

Die Klägerin ist Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe und seit 2008 in C zur vertragsärztlichen Versorgung niedergelassen. Bei den hier streitgegenständlichen Quartalen handelt es sich um ihr 9., 11. und 12. Abrechnungsquartal.

Mit Zuweisungsbescheid vom 28.12.2010 wies die Beklagte der Klägerin für das I. Quartal 2011 ein Regelleistungsvolumen in Höhe von 16.554,98 € zu. Dabei legte sie die durchschnittliche Fallzahl der Arztgruppe und den durchschnittlichen Fallwert der Arztgruppe des Vorjahresquartals zugrunde.

Mit Honorarbescheid vom 28.07.2011 gewährte die Beklagte für das I. Quartal 2011 ein Bruttohonorar in Höhe von 34.093,27 €, was einer Vergütungsquote von 79,93 % entsprach. Der Berechnung des Regelleistungsvolumens legte die Beklagte hier die tatsächlich im Abrechnungsquartal abgerechnete Behandlungsfallzahl mit 779 zugrunde.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein und wandte sich gegen die Anwendung der Jungpraxenregelung in ihrem Fall, was zu erheblichen Honorarverlusten führe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15.11.2013 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Rechtsgrundlage der Honorarverteilung ist die Vereinbarung zur Gesamtvergütung und zu Regelleistungsvolumina 2011 in der Fassung vom 11.08.2011. Gemäß § 17 Abs. 1 M-GC/A-RLV habe sie im Honorarbescheid die tatsächliche Fallzahl des Abrechnungsquartals herangezogen. Die Überprüfung von Praxisbesonderheiten habe ergeben, dass diese nicht zu einer Erhöhung des Honorars führe. Aufgrund der Anwendung der Neu- und Jungpraxenregelung komme eine Anwendung von § 18 Abs. 1 M-GV/A-RLV nicht in Betracht. Eine Anerkennung von Praxisbesonderheiten nach § 18 Abs. 3 M-GV/A-RLV scheide aus, da das Volumen aus A-RLV und QZV der Praxis lediglich um 25,05 % und somit unter 30 % überschritten werde. Eine Ausgleichszahlung nach § 19 M-GV/A-RLV könne nicht gewährt werden, da ein Honorarvergleich zum durchschnittlichen Gesamthonorar der Jahre 2008 bis 2010 nicht möglich sei, da sie ihre Tätigkeit erst im Dezember 2008 aufgenommen habe. Dieser Bescheid ist am 18.11.2013 zugestellt worden.

Mit Bescheid vom 26.05.2011 wies die Beklagte für das III. Quartal 2011 ein Regelleistungsvolumen in Höhe von 17.048,80 € zu. Dabei legte sie die durchschnittliche Fallzahl der Arztgruppe zugrunde.

Mit Honorarbescheid vom 26.01.2012 gewährte die Beklagte ein Bruttohonorar in Höhe von 35.829,91 €, was einer Vergütungsquote von 89,16 % entsprach. Für die Berechnung des Regelleistungsvolumens nahm sie die tatsächliche Fallzahl des Abrechnungsquartals von 892.

Den dagegen von der Klägerin wegen der Anwen...

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