Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitssuchende. einstweiliger Rechtsschutz. Leistungsausschluss für Ausländer
Leitsatz (amtlich)
1. Ein EU-Bürger, dessen Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, hat jedenfalls nach Ablauf von drei Monaten nach der Einreise keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB 2, unabhängig davon, ob er sich erstmals in Deutschland aufhält.
2. § 7 Abs 1 Satz 2 SGB 2 ist mit europäischem Recht vereinbar und auch auf EU-Bürger uneingeschränkt anwendbar.
3. Ausländer, die aufgrund von § 7 Abs 1 Satz 2 SGB 2 keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB 2 haben, haben aufgrund von § 21 Satz 1 SGB 12 auch keinen Anspruch auf Leistungen nach SGB 12.
Tenor
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt ..., wird abgelehnt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II.
Der Antragsteller ist am ... geboren und italienischer Staatsbürger.
Der Antragsteller reiste am 23. April 2007 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 11. Juni 2007 beantragte er bei der Antragsgegnerin Leistungen nach dem SGB II. Am 28. Juni 2007 sprach der Antragsteller persönlich bei der Antragsgegnerin vor und teilte mit, dass er die letzten 3½ Jahre in Italien gelebt und gearbeitet habe und nun nach Deutschland gezogen sei, um eine Arbeit aufzunehmen bzw. zu suchen.
Mit Bescheid vom 28. Juni 2007 lehnte die Antragsgegnerin die Gewährung von Leistungen ab. Die Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung seien nicht erfüllt, da der Antragsteller allein zum Zwecke der Arbeitssuche nach Deutschland eingereist sei.
Am 10. Juli 2007 stellte die Stadt Tübingen dem Antragsteller eine Bescheinigung aus, laut der er Staatsangehöriger eines Mitgliedstaates des Europäischen Union und nach Maßgabe des Freizügigkeitsgesetzes/EU zur Einreise und zum Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland berechtigt sei.
Gegen den ablehnenden Bescheid legte der Antragsteller am 11. Juli 2007 Widerspruch ein. Er trug vor, dass sich sein Aufenthaltsrecht aus dem Freizügigkeitsgesetz ergebe.
Mit Bescheid vom 12. Juli 2007 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Voraussetzungen für eine Leistungsbewilligung lägen nicht vor, da sich das Aufenthaltsrecht des Antragstellers allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe. Aus der Freizügigkeitsbescheinigung ergebe sich nur ein Recht, sich in der Bundesrepublik Deutschland aufzuhalten. Es leite sich daraus aber kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II ab.
Am 23. Juli 2007 hat der Antragsteller Klage gegen den Bescheid vom 28. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2007 erhoben und zugleich um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Er behauptet, seinen Lebensmittelpunkt 13 Jahre lang bis zum Jahr 2003 in der Bundesrepublik Deutschland gehabt zu haben. Er ist der Ansicht, dass er als Bürger der Europäischen Union keine Arbeitserlaubnis benötige. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen nach dem Aufenthaltsgesetz und dem Freizügigkeitsgesetz/EU sowie sonstige Regelungen mit aufenthaltsrechtlichem Inhalt blieben unberührt und gingen den Leistungsbestimmungen des SGB II vor. Er behauptet, die begehrten Leistungen “zum Überleben„ zu benötigen. Ihm seien derzeit die Mietkosten gestundet, weil sich sein Vermieter darauf verlassen habe und weiter verlasse, dass er die Leistungen nach dem SGB II erhalten werde. Essen und Trinken erhalte er derzeit von einem Bekannten, aber mit der Verpflichtung zur Vergütung, sobald er entsprechende Leistungen nach dem SGB II erhält.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm ab dem 23. Juli 2007 bis zur Entscheidung in der Hauptsache Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II in Höhe von 345 € als Regelleistung sowie Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 335 € monatlich zu zahlen.
Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß,
den Antrag abzulehnen.
Die Antragsgegnerin hält an ihrer Entscheidung fest. Sie trägt vor, dass der Antragsteller zum Zwecke der Arbeitssuche eingereist sei. Er habe seitdem nicht nachgewiesen, dass er in Deutschland sozialversicherungspflichtig gearbeitet habe. Eine Vorbeschäftigung mit Arbeitnehmerstatus, welche den Aufschlussgrund beseitigen würde, liege nicht vor.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Akte des Gerichts sowie auf die beigezogene Akte der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
1. Der zulässige Antrag ist unbegründet.
a) Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann, wenn - wie hier - ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG nicht vorliegt - das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in...