Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Fahrkosten. Vergütungsanspruch des Rettungsdienstes. Verlegung von einer Klinik in eine andere Klinik desselben Plankrankenhauses. funktionaler Krankenhausbegriff. Verordnung der Krankentransportleistung durch den Krankenhausarzt
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Verlegung "in ein anderes Krankenhaus" iS des § 60 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB V liegt auch dann vor, wenn ein Patient von einer Klinik in eine andere, räumlich entfernte Klinik verlegt wird, die beide zum selben Plankrankenhaus gehören.
2. Der Vergütungsanspruch des Rettungsdienstes für diese Verlegung ergibt sich bei dem hier zu Grunde gelegten "funktionalen Krankenhausbegriff" aus Sinn und Zweck der Krankentransportleistungen. Diese ermöglichen als akzessorische Nebenleistung die Erreichung des Zieles der Krankenhausbehandlung.
3. Ferner ergibt sich der Vergütungsanspruch des Rettungsdienstes aus der Verordnung der Krankentransportleistung durch den Krankenhausarzt, die zulasten der Krankenkasse wirkt.
Nachgehend
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 265,02 € nebst Zinsen aus 180,62 € seit 27.07.2018 und aus 84,40 € seit 25.11.2018, jeweils in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
3. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Im Streit ist die Vergütung von Transportleistungen, die von der Klägerin mit Rettungswagen (RTW) und Krankentransportwagen (KTW) bei drei, bei der Beklagten krankenversicherten Patienten erbracht wurden.
Die Klägerin, eine Tochtergesellschaft des Kreisverbandes Villingen-Schwenningen des ... (DRK), erbringt als gesetzlicher Leistungsträger im Sinne des § 2 des Rettungsdienstgesetzes Baden-Württemberg (RDG) medizinische Transportleistungen im Schwarzwald-Baar-Kreis. Diese medizinischen Transportleistungen erbringt sie unter anderem auf Veranlassung/Verordnung von Ärzten des ... (SB-Klinikum) in den Kliniken V-S. und in den Kliniken D., deren gemeinsame Trägerin die ... (SBK-GmbH) ist. Das SB-Klinikum mit Standort V.-S. ist in den Krankenhausplan des Landes Baden-Württemberg aufgenommen.
Die beiden Kliniken in V.-S. und D. liegen je nach Fahrtstrecke ca. 17 bis 20 km auseinander. Eine Doppelvorhaltung von Fachabteilungen findet nicht statt, diese sind entweder in V.-S. oder in D. angesiedelt (vgl. hierzu ...).
Nachdem die SBK-GmbH bis Ende 2015 für die Kosten aller Fahrten zwischen den beiden Standorten aufgekommen war, kündigte sie an, ab dem 01.01.2016 die Kosten derjenigen Transportfahrten nicht mehr zu übernehmen, bei denen die transportierten Patienten nicht noch am selben Tag zum Ausgangsstandort zurückkehren. Nach Auffassung der SBK-GmbH handle es sich hierbei um Verlegungsfahrten nach § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V), für die die Krankenkassen aufzukommen hätten. In Übereinstimmung mit der vom Sozialministerium Baden-Württemberg (SM) im Schreiben vom 05.11.2015 vertretenen Rechtsansicht lehnte die SBK-GmbH eine Vergütung der weiterhin von ihr in Anspruch genommenen Transportdienste der Klägerin ab.
Auch gesetzliche Krankenkassen, unter anderem die Beklagte, lehnten eine Vergütung der von der Klägerin erbrachten Transportleistungen zwischen den beiden Kliniken mit der Begründung ab, es handle sich nicht um Transporte in ein „anderes Krankenhaus“ im Sinne des § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V. Vielmehr seien die Kosten dieser „innerklinischen Transporte“ von der SBK als Teil der Krankenhausbehandlung zu tragen.
Die Klägerin führte bei zwei bei der Beklagten krankenversicherten Patienten aufgrund entsprechender Verordnungen vom 12.11.2015 und 18.12.2015 mittels KTW Transportfahrten vom Klinikstandort V.-S. zum Klinikstandort D., bei einem bei der Beklagten krankenversicherten Patienten auf Grund einer entsprechenden Verordnung vom 30.12.2015 mittels RTW eine Transportfahrt vom Klinikstandort D. zum Klinikstandort V.-S. durch. Alle drei Patienten kehrten nicht am selben Tag zum Ausgangsort zurück, sondern wurden in den Kliniken D. bzw. in den Kliniken V.-S. stationär aufgenommen.
Nachdem die zunächst von der SBK-GmbH unter Vorbehalt gezahlten Transportkosten aufgrund von Urteilen des Amtsgerichts Villingen-Schwenningen (1 C 85/17) und des Landgerichts Konstanz (C 61 S 57/17) zwischenzeitlich wieder zurückgezahlt wurden, stellte die Klägerin der Beklagten mit Rechnungen vom 26.06. und 25.10.2018 für diese drei Transportfahrten einen Betrag in Höhe von insgesamt 265,02 € in Rechnung, der allerdings von der Beklagten bis zum Ablauf der Zahlungsfrist am 26.07.2018 bzw. am 24.11.2018 nicht beglichen wurde.
Daraufhin hat die Klägerin am 17.12.2018 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) mit dem Begehren erhoben, die Beklagte zur Zahlung des streitgegenständlichen Betrages i.H.v. 265,02 € nebst Zinsen hieraus zu verurteilen. Zur Begründung hat si...