Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Bildung und Teilhabe. außerschulische Lernförderung. Ganztagsschule
Leitsatz (amtlich)
1. Der Besuch einer Ganztagsschule schließt einen Anspruch auf eine ergänzende angemessene Lernförderung nach § 28 SGB 2 nicht aus, wenn diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen.
2. Für die Gewährung einer ergänzenden angemessenen Lernförderung iS von § 28 Abs 5 SGB 2 ist in jedem Einzelfall eine individuelle Prüfung erforderlich und eine auf das Schuljahresende bezogene prognostische Einschätzung unter Einbeziehung der schulischen Förderangebote zu treffen.
Tenor
1. Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Lernförderung (Nachhilfe) gemäß § 28 Abs. 5 Sozialgesetzbuch - 2. Buch - (SGB II).
Die Antragsstellerin zu 1), ihr 1994 geborener Sohn M… und ihre am … 2000 geborene Tochter K…-R… (Antragsstellerin zu 2) beziehen seit längerem vom Antragsgegner Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 23.11.2011 bewilligte der Antragsgegner der Antragsstellerin zu 2) Leistungen der Bildung und Teilnahme nach § 28 SGB II in Höhe des Mitgliedsbeitrags für einen Karateverein. Sie besucht zur Zeit die Klasse 6 a der Realschule plus in S…. Mit einem am 22.2.2012 beim Antragsgegner eingegangenen Formularantrag beantragte die Antragsstellerin zu 1) für die Antragsstellerin zu 2) eine ergänzende angemessene Lernförderung gemäß § 28 SGB II. Die Schule bescheinigte für das 2. Halbjahr 2012 einen außerschulischen Lernförderbedarf (Nachhilfebedarf) in den Unterrichtsfächern Englisch, Mathematik und Deutsch. Nach den weiteren Angaben der Schule ist die Versetzung gefährdet. Mit außerschulischem Nachhilfeunterricht bestehe eine positive Prognose für die Versetzung. Dem Antrag lag ein Angebot der Studienkreis GmbH bei. Ohne Mindestlaufzeit eines Vertrags beträgt der Preis für 3 x 90 Minuten in der Woche 189 € im Monat.
Mit Bescheid vom 28.2.2012 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf angemessene Lernförderung (Nachhilfe) ab. Laut dem Ministerium für Soziales, Gesundheit und Demografie Rheinland-Pfalz komme eine Lernförderung nach dem Bildungs- und Teilhabepaket bei Ganztagsschulen nicht in Betracht. Im sich anschließenden Widerspruchsverfahren legten die Antragssteller eine Bestätigung der Klassenlehrerin vom 5.3.2012 vor. Sie bescheinigte einen Förderbedarf in den Hauptfächern. “Es wäre wünschenswert, sie durch Nachhilfeunterricht auf den derzeit notwendigen Leistungsstand zu bringen, auch im Hinblick darauf, dass sie im nächsten Schuljahr den Anschluss schafft. K… wird nach Möglichkeiten der Ganztagsschule gefördert (Hausaufgabenbetreuung, Förderunterricht). Dies reicht aber nicht aus, um ihre zur Zeit sehr großen Leistungsdefizite auszugleichen„. Ausweislich des Halbjahreszeugnisses vom 27.1.2012 waren die Noten in Deutsch und Mathematik “ausreichend„, in Englisch “mangelhaft„. Bemerkungen: Nach dem derzeitigen Leistungsstand werden die Anforderungen zur Einstufung in den Bildungsgang zur Erlangung des qualifizierten Sekundarabschlusses I nach Klasse 6 nicht erreicht. Auch in den Fächern Erdkunde, Musik und Wirtschaft und Verwaltung war die Note "mangelhaft"
Mit einem am 8.3.2012 beim Sozialgericht Speyer eingegangenen Schreiben begehren die Antragssteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Sie verweisen auf die Bestätigung der Klassenlehrerin. Die Antragsstellerin zu 2) benötige dringend Nachhilfe.
Die Antragssteller beantragen nach verständiger Würdigung ihres Vorbringens,
den Antragsgegner zu verpflichten, der Antragsstellerin zu 2) vorläufig eine Lernförderung in Form einer außerschulischen Nachhilfe zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er verweist auf seine Verwaltungsentscheidung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14.3.2012 hat er den Widerspruch zurückgewiesen. Mit Verweis auf eine nicht aktenkundige Anlage hat er in diesem Bescheid ausgeführte, dass eine Lernförderung nach dem Bildungs- und Teilhabepaket bei Ganztagsschulen nicht in Betracht komme. Die Antragssteller haben bis zum Zeitpunkt der Entscheidung noch keine Klage erhoben.
Die Kammer hat den Antragsgegner mit Verweis auf eine E-Mail-Korrespondenz in der Akte aufgefordert eventuelle schriftliche Empfehlungen des Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demographie Rheinland-Pfalz sowie die im Bescheid genannte Anlage vorzulegen. Er hat daraufhin Mails eines Herrn M… von der Stadtverwaltung L… und eine allgemeine Empfehlung des Ministeriums zur Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepakts in Rheinland-Pfalz vorgelegt.
Schließlich hat die Kammer die Klassenlehrerin schriftlich als sachverständige Zeugin gehört. Wegen der Beantwortung der Beweisfragen wird auf Blatt 33 der Prozessakte verwiesen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf den Inh...