Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsvermittlung. kein Anspruch eines Bordellbesitzers auf Vermittlung von Prostituierten. verfassungskonforme Auslegung
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Bordellbetreiber hat als Arbeitgeber gegen die Bundesagentur für Arbeit keinen Anspruch auf die Vermittlung von Prostituierten in mit ihm zu begründende Beschäftigungsverhältnisse.
2. Ein Arbeitgeber hat zwar einen allgemeinen subjektiv-öffentlichen Anspruch auf Vermittlung. Die Entscheidung über ein konkretes Vermittlungsbegehren durch die Beklagte erfolgt aber durch Ermessensausübung. Im Rahmen dieser Ermessensausübung muss sich der konkrete Vermittlungsauftrag an dem allgemeinen Rechtsgrundsatz der Sittenwidrigkeit als absolutem Versagungsgrund messen lassen.
3. Das Verlangen eines Bordellbetreibers gegenüber der Bundesagentur für Arbeit, aktiv zur Begründung von Beschäftigungsverhältnissen im Bereich der Prostitution beizutragen, ist als sittenwidrig anzusehen. Hieran hat sich auch mit dem Inkrafttreten des Prostitutionsgesetzes nichts geändert.
Orientierungssatz
Die Ablehnung eines konkreten Vermittlungsgesuchs eines Arbeitgebers stellt nicht von vornherein eine Verletzung der Art 12 GG oder Art 14 GG dar.
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
Der Kläger betreibt in S ein Bordell, in welchem Prostituierte sexuelle Dienstleistungen gegenüber Dritten erbringen. Im Rahmen vertraglicher Vereinbarungen mit den Prostituierten stellt der Kläger diesen unter anderem ausgestattete Räume gegen Entgelt zur Verfügung. Er beabsichtigt, in Zukunft Arbeitsverhältnisse mit Prostituierten zu begründen, die für ihn im Rahmen sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse tätig sein sollen.
Mit Schreiben vom 17.5.2004 stellte der Kläger als potenzieller Arbeitgeber gegenüber der Beklagten folgenden Vermittlungsauftrag:
Gesucht wird eine Frau und/oder ein bisexuell veranlagter Mann für Massagen, den zärtlichen Bereich, Geschlechts- und/oder Oralverkehr. Erfahrung im Prostitutionsgewerbe sind von Vorteil. Ein schlankes und gepflegtes Äußeres wird erwartet. Equipment wie Hygieneartikel, Bettwäsche, Kondome und Getränke werden vom Arbeitgeber gestellt.
Mit Bescheid vom 8.6.2004 lehnte die Beklagte die Annahme des Vermittlungsauftrages ab. In der Begründung heißt es, die Entgegennahme und Ausführung des Antrages verstoße gegen die guten Sitten, da ein offensichtlicher Bezug zur Prostitution bestehe. Deshalb dürfe sie nicht vermittlerisch tätig werden (§ 36 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III).
Hiergegen legte der Kläger am 7.7.2004 Widerspruch ein, den er damit begründete, die Voraussetzungen einer Sittenwidrigkeit oder eines Gesetzesverstoßes seien nicht erfüllt. Strafbar seien nur noch bestimmte Ausübungsformen der Prostitution. Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten am 1.1.2002 (ProstG) sei eindeutig klargestellt, dass Beschäftigungsverhältnisse von Prostituierten im Rahmen einer abhängigen Tätigkeit zulässig und möglich, nach der Gesetzesbegründung sogar erwünscht seien. Nach dem Willen des Gesetzgebers sei die Prostitution nicht mehr als sittenwidrig zu betrachten, entgegenstehende frühere Entscheidungen seien überholt. Dieser Anschauungswandel habe sich auch in verschiedenen gerichtlichen Entscheidungen niedergeschlagen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24.8.2004 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. In der Begründung führte sie aus, nach § 36 Abs. 1 SGB III dürfe sie nicht in Arbeit vermitteln, wenn ein Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnis begründet werden solle, das gegen ein Gesetz oder die guten Sitten verstoße. Der Begriff der guten Sitten sei in diesem Zusammenhang keiner allgemeingültigen Definition zugänglich. Auch hätten die gesellschaftlichen und gesetzlichen Rahmenbedingungen im Umfeld der Prostitution in den letzten Jahren eine erhebliche Wandlung erfahren. Ein zu begründendes Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnis könne nach seinem Zweck oder aufgrund seiner Arbeitsbedingungen sittenwidrig sein. Ersteres sei der Fall, wenn es auf die Erbringung sittlich anstößiger Leistungen ziele, was bei der vorliegenden Tätigkeit ihrer Auffassung nach unverändert gegeben sei. Die zweite Alternative sei auf die gesamten Rahmenbedingungen einer Beschäftigung gerichtet. Im Hinblick auf Art. 1 sowie Artikel 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) bestünden in diesem Zusammenhang zumindest erhebliche Bedenken. Die vom Kläger erwähnten neue Regelungen dienten alleine dem Schutz und der Absicherung der Betroffenen, beinhalte jedoch keine moralische oder sittliche Wertung der Tätigkeit selbst oder gar deren gesellschaftliche Legitimation.
Daraufhin hat der Kläger am 21.9.2004 Klage erhoben.
Zu deren Begründung macht er geltend, weder die Prostitution noch die Beschäftigung von Prostituierten sei generell gesetzlich verboten. Ausnahmen bildeten lediglich best...