Entscheidungsstichwort (Thema)

Sachleistungsanspruch des Versicherten im Wege der Genehmigungsfiktion bei nicht fristgerechter Bescheidung durch die Krankenkasse

 

Orientierungssatz

1. Bei der Magenbypassoperation nach schwerer Adipositas handelt es sich um eine Leistung der medizinischen Rehabilitation i. S. des § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB 9. § 13 Abs. 3a SGB 5 enthält eine klare Unterscheidung zwischen dem in S. 6 geregelten Sachleistungsanspruch und dem in S. 7 geregelten Kostenerstattungsanspruch.

2. Der Verweis auf die Vorschriften des SGB 9 für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in S. 9 des § 13 Abs. 3a SGB 5 erfolgt ausdrücklich nur für die Fälle der Kostenerstattung bei Selbstbeschaffung durch den Versicherten. Die Fälle des Sachleistungsanspruchs werden von diesem Verweis nicht erfasst.

3. Hat die Krankenkasse den Leistungsantrag des Versicherten nicht innerhalb der Frist des § 13 Abs. 3a SGB 5 beschieden, so gilt dessen Sachleistungsantrag als genehmigt.

4. Zwar kann aus einer fehlenden Mitwirkung des Versicherten i. S. von § 60 SGB 1 die Versagung der beantragten Leistung folgen. Die von § 13 Abs. 3a SGB 5 verlangte fristgemäße Entscheidung hat aber gleichwohl zur Vermeidung des Eintritts der Genehmigungsfiktion zu erfolgen.

 

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger mit einer Magenbypass-Operation gemäß dem Antragsschreiben vom 05.06.2013 als Sachleistung zu versorgen.

2. Der Bescheid vom 26.08.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.01.2016 wird aufgehoben.

3. Die Beklagte hat dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung einer Magenbypass-Operation als Sachleistung.

Der 1972 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Er hatte bereits im Jahr 2011 eine bariatrische Operation bei der Beklagten beantragt, die diese wegen der fehlenden Ausschöpfung konservativer Therapien abgelehnt hatte.

Unter Vorlage einer ärztlichen Stellungnahme des Chefarztes der Chirurgischen Abteilung des Krankenhauses S. (F.), Prof. Dr. W. und der Fachärztin für Chirurgie Dr. S. vom 05.06.2013, bei der Beklagten eingegangen am 28.06.2013, beantragte der Kläger die “Genehmigung eines laparoskopischen R-Y-Magenbypasses„. Prof. Dr. W. gab in diesem Schreiben an, der Kläger leide unter einer morbiden Superadipositas (BMI 56,4 kg/m²), zudem unter einer ausgeprägten Herzinsuffizienz mit Cardiomyopathie bei Zustand nach Myocarditis 2003, einer Fettstoffwechselstörung, Hypertonie, NIDDM II, Schlafapnoe-Syndrom sowie Depression und Angststörung. Der Kläger habe seit der Ablehnung des ersten Antrages im Jahr 2011 weiter an Gewicht zugenommen. Er sei bereits bei der Beklagten selbst in einer Ernährungsberatung gewesen, zudem habe er Weight Watchers und Slimfast versucht. Beim Kläger läge der Sonderfall einer primären Indikation vor, da er aufgrund seiner sehr schweren Herzerkrankung vital von einer Gewichtsreduktion abhängig sei. Die Vorgaben eines multimodalen Konzeptes seien nicht angemessen, da er weder groß körperliche Bewegung durchführen könne, noch die Belastung des Herzens und die entsprechend notwendige Mehrleistung der Pumpfunktion einen zeitlichen Aufschub dulden würden. Durch das massive Übergewicht des Klägers sei zu erwarten, dass seine Herzleistung massiv eingeschränkt und damit seine Lebenserwartung drastisch verkürzt werde. Es werde daher nochmals gebeten, die Ultima-ratio-Situation mit primärer, medizinisch dringlicher Indikation bei einem BMI von 56.4 kg/m² schnellstmöglich zu prüfen und die Kostenübernahme für die bariatrische Operation zuzusagen.

Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 01.07.2013 wegen seines “Antrags auf Kostenübernahme der Magenbypass-Operation„ mit, ein adipositaschirurgischer Eingriff könne nur übernommen werden, wenn die konservativen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft wurden und nicht den gewünschten Erfolg erzielt hätten. Um den Antrag zu prüfen, bat die Beklagte den Kläger um Darlegung, ob bereits eine leitliniengerechte Therapie stattgefunden habe bzw. eingeleitet worden sei. Zudem sollte der Kläger den beigefügten Fragebogen beantworten, auch wenn die Informationen teilweise vom Kläger schon geliefert worden seien. Zudem verlangte die Beklagte eine Dokumentation der Eigenversuche zur Gewichtsreduktion innerhalb der letzten fünf Jahre, ein Ernährungstagebuch, das über 14 Tage geführt werden solle und eine fachpsychiatrische Bescheinigung bezüglich der vom Krankenhaus S. erwähnten Depression und Angststörung. Die Beklagte kündigte an, sobald alle angeforderten Informationen eingegangen seien, werde der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) um eine gutachterliche Stellungnahme zur beantragten Leistung gebeten.

Hierauf reagierte für den Kläger zunächst Prof. Dr. W. mit Schreiben an die Beklagte vom 19.07.2013, in dem er auf die Verschlechterung des gesundheitlichen Zustands des Klägers und dessen weitere Gewichtszunahme seit dem Erstantrag aus dem Jahr 2011 hinwies...

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