Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankengeld. Bewilligung ist begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Zulässigkeit einer befristeten Bewilligung. gerichtliche Überprüfung. Auslegung einer Behördenentscheidung. Attest ist keine Voraussetzung für den Anspruch auf Krankengeld

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Bewilligung von Krankengeld stellt einen begünstigenden Verwaltungsakt mit Dauerwirkung dar, wenn Krankengeld für eine bestimmte oder auch unbestimmte Zeit in der Zukunft gewährt wird (vgl schon SG Speyer vom 20.3.2015 - S 19 KR 969/13; SG Speyer vom 22.5.2015 - S 19 KR 959/13 = NZS 2015, 666). Eine Bewilligung für einen im Entscheidungszeitpunkt abgelaufenen Zeitraum ist hingegen kein Dauerverwaltungsakt.

2. Die Bewilligung von Krankengeld nur für einen bestimmten Zeitabschnitt kann im Einzelfall nur dann angenommen werden, wenn in der konkreten Bewilligungsentscheidung eine entsprechende Befristung der Leistung auch tatsächlich erfolgt ist. Die Zulässigkeit einer solchen Befristung ist in einem solchen Fall an § 32 Abs 1 SGB X zu messen, da die Gewährung von Krankengeld nicht im Ermessen der Krankenkasse steht (vgl SG Speyer vom 30.11.2015 - S 19 KR 160/15 -; zustimmend SG Mainz vom 21.3.2016 - S 3 KR 255/14).

3. Die Bezugnahme auf andere gerichtliche Entscheidungen kann die tatsächlich getroffene Behördenentscheidung im Einzelfall nicht unbeachtlich machen.

4. Eine gerichtliche Entscheidung hat über den konkreten Einzelfall zu befinden. Nur wenn die Behörde tatsächlich eine mit einer Befristung verbundene Bewilligung verfügt hat, kann eine solche der gerichtlichen Entscheidung zu Grunde gelegt werden. Hingegen kann ein Gericht nicht eine von ihm für "regelmäßig" gehaltene Behördenentscheidung entgegen dem vorgefundenen Sachverhalt unterstellen (entgegen LSG Essen vom 15.8.2016 - L 11 KR 487/16 B ER -, Rn 8).

5. In eine konkludente Bewilligungsentscheidung mehr hineinzulesen als die Bewilligung der Leistung, insbesondere Nebenbestimmungen wie eine Befristung oder eine auflösende Bedingung zu konstruieren, die zum einen in einem förmlichen Verwaltungsakt wegen der rechtlichen Konsequenz einer Beendigung der Wirksamkeit durch Erledigung des Verwaltungsaktes so bestimmt wie möglich, verständlich und widerspruchsfrei verfügt sein müssten (vgl Korte, NZS 2014, 853, beck-online; Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 32 SGB X, Rn 13 mwN) und zum anderen bei einer gebundenen Entscheidung nur ausnahmsweise zulässig sind und ihrerseits eine Ermessensbetätigung der Behörde erfordern, verbietet sich.

6. Ein "Attest" oder eine "Bescheinigung" ist nach den gesetzlichen Bestimmungen ebenso wenig eine Voraussetzung für den Anspruch auf Krankengeld, wie eine Dokumentation der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit "nach außen" (entgegen LSG Mainz vom 16.10.2014 - L 5 KR 157/14 -, Revision derzeit beim BSG anhängig unter dem Aktenzeichen B 3 KR 22/15 R; entgegen LSG Mainz vom 21.4.2016 - L 5 KR 217/15).

 

Tenor

1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 10.07.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.09.2014 verurteilt, dem Kläger Krankengeld in gesetzlicher Höhe für den Zeitraum vom 01.07.2014 bis zum 23.07.2015 auszuzahlen, soweit der Anspruch nicht durch die Zahlung von Arbeitslosengeld II gemäß § 107 Abs. 1 SGB X erloschen ist.

2. Die Beklagte hat dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt weiteres Krankengeld über den 30.06.2014 hinaus bis zum Ablauf der Höchstanspruchsdauer am 23.07.2015.

Der bei der Beklagten krankenversicherte Kläger war seit dem 23.01.2014 auf Grund einer Entzündung der inneren Schicht der Gelenkkapsel des oberen Sprunggelenkes (OSG) links sowie Sehnenscheidenentzündung arbeitsunfähig erkrankt.

Er war zuletzt seit dem 02.01.2014 bei einer Zeitarbeitsfirma in Kaiserslautern beschäftigt, für die er bei der Firma L... Sch…. GmbH in E…-A… tätig war. Er bediente dort eine Fertigungsmaschine zur Herstellung von Schleifmaterialien, wobei die Tätigkeit im Herbeiholen der verschiedenen Komponenten und Formwerkzeuge, dem Bestücken der Maschine und dem abschließenden Verpressen der Materialien zu dem fertigen Werkstück bestand. Auf Grund der fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit wurde das Beschäftigungsverhältnis zum 29.05.2014 beendet. Nach eigenen Angaben hat der Kläger sich unmittelbar nach der Kündigung seines Beschäftigungsverhältnisses bei der Agentur für Arbeit gemeldet, wo ihm mitgeteilt wurde, dass er wegen der attestierten Arbeitsunfähigkeit dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stünde und daher keine Leistungen erhalten könne.

Eine Arbeitsunfähigkeit war zunächst am 20.01.2014 vom Facharzt für Orthopädische Chirurgie Dr. K… wegen der Diagnose OSG-Distorsion links und aktivierte OSG-Arthrose links festgestellt worden. Ausweislich der ausgestellten Bescheinigung ging der Arzt davon aus, die Arbeitsunfähigkeit bestehe voraussichtlich bis zum 22.01.2014. Am 23.01.2014 attestierte dann der behandelnde ...

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