Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Verjährungsfrist von drei Jahren im Krankenhausabrechnungsstreit. Beginn der Verjährung in Bezug auf einen Anspruch aus § 812 Abs 1 S 1 Alt 1 BGB. Vertrauensschutz. Aufrechnung. Gesetzbindungsgebot
Leitsatz (amtlich)
1. Für Vergütungsforderungen von Krankenhäusern gegen Krankenkassen gilt auf Grund der Verweisung in § 69 Abs 1 S 3 SGB V die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 195 BGB. Gleiches gilt für Erstattungsansprüche von Krankenkassen gegen Krankenhausträger (Anschluss an SG Mainz vom 4.6.2014 - S 3 KR 645/13 = juris RdNr 41 ff; SG Mainz vom 11.1.2016 - S 3 KR 349/15 = juris RdNr 26 ff; SG Speyer vom 23.1.2017 - S 19 KR 521/16 = juris RdNr 24 ff; entgegen ua BSG vom 12.5.2005 - B 3 KR 32/04 R = SozR 4-2500 § 69 Nr 1; BSG vom 21.4.2015 - B 1 KR 11/15 R = SozR 4-2500 § 69 Nr 10 RdNr 13; BSG vom 23.6.2015 - B 1 KR 26/14 R = BSGE 119, 150 = SozR 4-5560 § 17c Nr 3 RdNr 44)
2. Gerichte können auf Grund ihrer Funktion im verfassungsmäßig vorgegebenen System der Gewaltenteilung entgegen der bestehenden Rechtslage keinen Vertrauensschutz auf eigene oder fremde (obergerichtliche) Rechtsprechung einräumen (Anschluss an SG Mainz vom 11.1.2016 - S 3 KR 349/15 aaO; SG Speyer vom 23.1.2017 - S 19 KR 521/16 aaO).
3. Für den Beginn der Verjährungsfrist nach § 199 Abs 1 Nr 2 BGB in Bezug auf einen Anspruch aus § 812 Abs 1 S 1 Var 1 BGB reicht die Kenntnis bzw grob fahrlässige Unkenntnis des Umstands aus, dass eine Leistung im Sinne einer auf bewusste und zweckgerichtete Vermögensmehrung gerichteten Zuwendung erfolgt ist. Die Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis der Rechtsgrundlosigkeit der Leistung ist nicht erforderlich (Anschluss an SG Mainz vom 11.1.2016 - S 3 KR 349/15 aaO).
Orientierungssatz
1. Die §§ 387ff BGB sind mangels entgegenstehender Spezialregelungen im Verhältnis zwischen Krankenhausträgern und Krankenkassen anwendbar (vgl BSG vom 2.7.2013 - B 1 KR 49/12 R = SozR 4-2500 § 129 Nr 9 RdNr 11).
2. Vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Gesetzesbindungsgebots aus Art 20 Abs 3 und Art 97 Abs 1 GG ist eine analoge Anwendung von Rechtsnormen auf nach dem Wortlaut nicht erfasste Sachverhalte jedoch nur dann zulässig, wenn eine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke besteht (vgl SG Mainz vom 21.9.2015 - S 3 KR 558/14 = juris RdNr 29; SG Mainz vom 18.4.2016 - S 3 AS 149/16 = juris RdNr 374 ff).
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 773,54 Euro zu zahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 773,54 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Zahlung der weiteren Vergütung für eine Krankenhausbehandlung.
Der bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte 1933 geborene Patient H… F… wurde in der Zeit vom 14.09.2009 bis zum 19.09.2009 in der U.klinik L., dessen Trägerin die Klägerin inzwischen ist, stationär behandelt. Die Klägerin stellte der Beklagten für diese Behandlung auf Grundlage der DRG I32F (Eingriffe an Handgelenk und Hand ohne mehrzeitigen Eingriff, ohne Komplexbehandlung der Hand, ohne komplexen Eingriff, außer bei angeborener Anomalie der Hand, ohne komplexe Diagnose, mit mäßig komplexem Eingriff, Alter ≫ 5 Jahre) unter dem 02.10.2009 einen Gesamtbetrag in Höhe von 2.581,30 Euro in Rechnung.
Die Beklagte zahlte am 28.10.2009 zunächst den gesamten Rechnungsbetrag.
Mit einem Schreiben vom 18.09.2013 übersandte die Beklagte der Klägerin eine Liste mit zwischen den Beteiligten abgerechneten Behandlungsfällen (u.a. den Behandlungsfall F…), die ihrer Auffassung nach routinemäßig ambulant durchgeführt würden. In den aufgeführten Fällen seien die erforderlichen Angaben zum Grund der Aufnahme bisher nicht an die Beklagte übermittelt worden. Das Bundessozialgericht (BSG) habe entschieden, dass bei fehlender Begründung die Entgeltforderung des Krankenhauses nicht fällig werde. Die Beklagte forderte Klägerin auf, bis zum 08.10.2013 in allen genannten Fällen eine entsprechende Begründung an die Beklagte zu übersenden oder eine Gutschrift per Datenträgeraustausch zu übermitteln. Versäume die Klägerin, für die stationäre Behandlungsbedürftigkeit zu benennen, so fehle es an der notwendigen Grundlage für die Abrechnungsprüfung und damit an einer Voraussetzung für den Lauf der Ausschlussfrist gemäß § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V.
Nachdem die Klägerin diesem Ansinnen widersprochen hatte, verrechnete die Beklagte am 18.12.2013 eine behauptete Erstattungsforderung aus dem Behandlungsfall Fischer in Höhe von 773,54 Euro mit einer unstreitigen Vergütungsforderung der Klägerin gegen die Beklagte über insgesamt 4.349,80 Euro aus einer Behandlung des Versicherten C… vom 20.11.2013 bis zum 24.11.2013 in der Klinik der Klägerin. Dieser Behandlungsfall war am 09.12.2013 abgerechnet worden.
Die Klägerin hat am 28.12.2015 Klage erhoben und zunächst von der Beklagten Vergütungsansprüche aus Krankenhausbehandlungen aus den Jahren 2013 und 2014 in Höhe eines Gesamtbetrags von 16.847,09 Euro gefordert, gegen die die ...