Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhaus. Anspruch auf Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c S 3 SGB 5 und Verzugszinsen
Leitsatz (amtlich)
1. Gegenstand der Prüfung nach § 275 Abs 1 Nr 1 und Abs 1c SGB 5 ist die konkrete Abrechnung eines Behandlungsfalles, für den mit der Abrechnung eine Vergütung gefordert wird. Im Rahmen dieser Prüfung fällt nur eine Aufwandspauschale an, selbst wenn der MDK mehrfach mit dem Abrechnungsfall befasst wird.
2. Der Anspruch auf Aufwandspauschale wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Prüfung durch eine fehlerhafte Abrechnung des Krankenhauses veranlasst worden sein könnte (Anschluss an SG Mainz vom 14.6.2013 - S 17 KR 58/12 = NZS 2013, 822; Entgegen BSG vom 22.6.2010 - B 1 KR 1/10 R = BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3 und BSG vom 17.12.2013 - B 1 KR 14/13 R = SozR 4-2500 § 275 Nr 15).
Orientierungssatz
1. Eine Verkürzung eines gesetzlich eingeräumten Anspruchs durch die Rechtsprechung verstößt gegen den Grundsatz der Gesetzesbindung.
2. Ein Krankenhaus hat gegenüber einer Krankenkasse bezüglich der Zahlung einer Aufwandspauschale einen Anspruch auf Verzugszinsen (Entgegen BSG vom 28.11.2013 - B 3 KR 4/13 R = SozR 4-2500 § 275 Nr 16).
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 300 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.01.2011 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
4. Der Streitwert wird auf 300 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung einer Aufwandspauschale.
Die Klägerin ist Trägerin des nach § 108 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) zugelassenen Klinikums der Stadt … am R…. In dem Krankenhaus wurde in der Zeit vom 16.12.2009 bis zum 24.12.2009 der bei der Beklagten versicherte K… M… (im Folgenden: Versicherter) wegen eines blutenden Magengeschwürs stationär aufgenommen und behandelt.
Am 29.12.2009 stellte die Klägerin der Beklagten eine 1. Rechnung (Nr. 90701667) in Höhe von 5.678,06 Euro. Hierbei brachte sie die Fallpauschale (Diagnosis Related Group -DRG-) G46A (Verschiedenartige Gastroskopie bei schweren Krankheiten der Verdauungsorgane verbunden mit äußerst schweren CC oder verbunden mit äußerst schweren, schweren CC oder komplizierendem Eingriff bei Kindern) zum Ansatz. Die Klägerin hatte dieser Abrechnung die Verschlüsselung der Hauptdiagnose mit K25.0 (Ulcus ventriculi: Akut, mit Blutung) zu Grunde gelegt. Als Nebendiagnose kodierte sie unter anderem J96.0 (Akute respiratorische Insuffizienz, andernorts nicht klassifiziert).
Die Beklagte beglich diese Forderung zunächst.
Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Rh…-P… mit der Überprüfung des Falles unter der Fragestellung, ob die Nebendiagnosen korrekt abgerechnet worden seien.
Am 02.02.2010 erstellte der Arzt im MDK Dr. T… nach einer Begehung im Haus der Klägerin ein Sozialmedizinisches Gutachten. Darin kam er zu dem Ergebnis, neben den bestätigten bzw. mangels Erlösrelevanz nicht geprüften Nebendiagnosen sei die Nebendiagnose J96.0 (Akute respiratorische Insuffizienz, andernorts nicht klassifiziert) zu streichen, da nicht beschrieben. Er gelangte daher zu der DRG G46B (Verschiedenartige Gastroskopie bei schweren Krankheiten der Verdauungsorgane verbunden mit äußerst schweren CC, schweren CC oder mit komplizierendem Eingriff oder verbunden mit schw. CC bei Kindern, oder Ösophagusperforation, oder Radiofrequenzablation).
Die Beklagte erhielt ausweislich eines Schreibens vom 05.02.2010 eine Gutschrift in Höhe von 4.170,51 Euro von Klägerin, die ihrer Ansicht nach noch offene Differenz in Höhe von 1.507,55 Euro verrechnete sie nach mehrfacher Zahlungsaufforderung am 12.05.2010 mit einer unstreitigen Forderung der Klägerin.
Die Klägerin erhob Widerspruch gegen das Begutachtungsergebnis, korrigierte aber gleichwohl die Abrechnung am 09.02.2010 mit Rechnung Nr. 90708139 dahingehend, dass die Nebendiagnose J96.0 nicht mehr angesetzt, dafür jedoch die Nebendiagnose D70.3 (Sonstige Agranoluzytose) nachcodiert wurde, was wiederum in die DRG G46A führte.
Daraufhin beauftragte die Beklagte nochmals den MDK R…-P… mit der Überprüfung des Falles unter der Fragestellung, ob die Nebendiagnosen korrekt sind, insbesondere die nachkodierte Nebendiagnose D70.3.
Am 30.11.2010 erstellte der Arzt im MDK Dr. K… nach einer Begehung im Haus der Klägerin ein Sozialmedizinisches Gutachten. Er kam zu dem Ergebnis, dass die Nebendiagnose D70.3 (Sonstige Agranoluzytose) zu streichen sei und gelangte hierdurch erneut zu der DRG G46B.
Schon während dieser zweiten Begehung ergänzte die Klägerin die weiteren Nebendiagnosen R63.3 (Ernährungsprobleme und unsachgemäße Ernährung) und N18.3 (Chronische Nierenkrankheit, Stadium 3).
Die Klägerin erhob nochmals Widerspruch gegen das Begutachtungsergebnis. Die zuletzt gestellte Rechnung vom 02.12.2010 (Nr. 90759160), wiederum unter Ansatz der DRG G46A in ...