Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Gewährung von Krankengeld. begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Nebenbestimmung. Unzulässigkeit einer befristeten Bewilligung. Ruhen des Krankengeldes. Auslegung des § 49 Abs 1 Nr 5 SGB 5. keine erneute Meldung der Arbeitsunfähigkeit nach Erstmeldung erforderlich. keine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke. keine Analogiebildung. verfassungsrechtlicher Grundsatz der Gesetzesbindung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Bewilligung von Krankengeld stellt dann einen begünstigenden Verwaltungsakt mit Dauerwirkung dar, wenn Krankengeld für eine bestimmte oder auch unbestimmte Zeit in der Zukunft gewährt wird (Anschluss an SG Speyer vom 30.11.2015 - S 19 KR 160/15, RdNr 33).

2. Die befristete (zeitabschnittsweise) Bewilligung von Krankengeld ist mangels einer Rechtsvorschrift im Sinne des § 32 Abs 1 SGB X grundsätzlich nicht zulässig (Anschluss an SG Speyer vom 30.11.2015 - S 19 KR 160/15, RdNr 44ff; SG Mainz vom 25.7.2016 - S 3 KR 428/15, RdNr 41ff; entgegen BSG vom 16.9.1986 - 3 RK 37/85 = SozR 2200 § 182 Nr 103, RdNr 16ff).

3. Wenn nach der ersten Meldung der Arbeitsunfähigkeit durchgehend Arbeitsunfähigkeit vorliegt, ist keine weitere Meldung des Versicherten mehr notwendig, um das Eintreten des Ruhens des Krankengeldanspruchs nach § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V zu verhindern (Anschluss an LSG Halle vom 2.11.1999 - L 4 KR 10/98, RdNr 30; SG Mainz vom 24.9.2013 - S 17 KR 247/12, RdNr 45ff; SG Speyer vom 22.11.2013 - S 19 KR 600/11, RdNr 42ff; SG Trier vom 21.11.2013 - S 1 KR 44/13, RdNr 29; entgegen BSG vom 8.2.2000 - B 1 KR 11/99 R = BSGE 85, 271 = SozR 3-2500 § 49 Nr 4, RdNr 17; BSG vom 10.5.2012 - B 1 KR 20/11 R = BSGE 111, 18 = SozR 4-2500 § 46 Nr 4, RdNr 18; BSG vom 16.12.2014 - B 1 KR 31/14 R, RdNr 18).

 

Orientierungssatz

In Folge des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Gesetzesbindung darf von einer ausfüllungsbedürftigen Regelungslücke nur dann ausgegangen werden, wenn der vom Gericht zu entscheidende Fall andernfalls nicht methodisch korrekt zu lösen wäre. Wenn ein Fall auf Grundlage und in Übereinstimmung mit den einschlägigen Normtexten zu lösen ist, verstößt die Annahme einer ausfüllungsbedürftigen Regelungslücke und in Folge dessen die analoge Heranziehung einer anderen Rechtsfolge gegen das Gesetzesbindungsgebot.

 

Tenor

1. Der Bescheid vom 27.04.2016 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 02.06.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.07.2016 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Krankengeld in gesetzlicher Höhe für den Zeitraum vom 12.04.2016 bis zum 25.04.2016 zu zahlen.

3. Die Beklagte hat dem Kläger dessen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Zahlung von Krankengeld für den Zeitraum vom 12.04.2016 bis zum 25.04.2016.

Der 1980 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Er ist bei der B... L... als Chemiefacharbeiter sozialversicherungspflichtig in Vollzeit beschäftigt. Seit dem 04.01.2016 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Maßgebliche Diagnose war laut Erstbescheinigung der behandelnden Ärzte Dr. K... zunächst M75. 1 LG (Läsionen der Rotatorenmanschette links, gesichert), später stattdessen und daneben M75.4 LG (Impingement-Syndrom der Schulter links, gesichert) und S46.0 LZ (Zustand nach Verletzung der Muskeln und der Sehnen der Rotatorenmanschette links). Am 25.01.2016 ist die Erstbescheinigung bei der Beklagten eingegangen. Bis zum 14.02.2016 erhielt der Kläger von seinem Arbeitgeber Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Ab dem 15.02.2016 zahlte die Beklagte ihm Krankengeld.

Mit Schreiben vom 17.02.2016 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie ihm ab dem 15.02.2016 Krankengeld zahle. Sie führte weiter aus, dass Krankengeld abschnittsweise bewilligt werde. Der Kläger möge beachten, dass seine Arbeitsunfähigkeit lückenlos bescheinigt werde. Er müsse seinen Arzt spätestens am nächsten/darauffolgenden Werktag aufsuchen, damit er seine Arbeitsunfähigkeit verlängere. Und er (der Arzt) müsse stets die voraussichtliche Dauer seiner Arbeitsunfähigkeit im Feld „voraussichtlich arbeitsunfähig bis“ notieren. Die Beklagte bat den Kläger darüber hinaus darum, seine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nach Ausstellung durch den Arzt innerhalb einer Woche bei der Beklagten einzureichen. Der Kläger möge die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausschließlich im Original per Post oder per Fax zusenden. Nur dann könne sie den Krankengeldanspruch prüfen. Das Krankengeld werde für einen zurückliegenden Zeitraum bis zu dem Tag ausgezahlt, an dem der Arzt die Arbeitsunfähigkeit festgestellt habe. Das sei üblicherweise der Tag des Arztbesuchs. Der tägliche Auszahlungsbetrag wurde mit 81,32 Euro beziffert.

Nachdem die Praxis Dr. K... zuletzt am 18.03.2016 eine Folgebescheinigung ausgestellt (maßgebliche Diagnosen: M75.1 LG und M75.4 LG) und hierbei angegeben hatte, dass der Kläger voraussichtlich bis zum 05.04.2016 arbeitsunfähig sein werde, stellte Dr. W... von der Praxis...

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