Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitssuchende: Leistungsausschluss für EU-Ausländer. Anwendung des Leistungsausschlusses. Anwendbarkeit des Europäischen Fürsorgeabkommens. Gewährung von Sozialhilfeleistungen bei Bestehen eines Leistungsausschlusses hinsichtlich der Grundsicherungsleistungen

 

Orientierungssatz

1. Der Leistungsausschluss für Ausländer hinsichtlich von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende greift bei EU-Ausländern, wenn diese ihr Aufenthaltsrecht lediglich aus dem Umstand der Arbeitsuche ableiten können und insoweit von ihrem Freizügigkeitsrecht Gebrauch machen. Bei einem aus einem anderen Grund abgeleiteten Aufenthaltsrecht greift der Ausschluss dementsprechend nicht.

2. Auch ein Angehöriger eines Vertragsstaats des Europäischen Fürsorgeabkommen kann aus diesem Vertragswerk keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende während eines Aufenthalts im Bundesgebiet ableiten, da insoweit jedenfalls seit dem Jahr 2011 ein durch die Bundesregierung erklärter Vorbehalt gegen die Anwendung besteht.

3. Besteht hinsichtlich eines EU-Ausländers ein Leistungsausschlusses für Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende, kommt auch kein Anspruch auf Leistungen der Sozialhilfe in Betracht, da insoweit bereits der Anwendungsbereich des SGB 12 aufgrund der grundsätzlich bestehenden Erwerbsfähigkeit nicht eröffnet ist (entgegen BSG, Urteil vom 03.12.2015 - B 4 AS 44/15 R).

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin für die Zeit vom 14.02.2014 bis 31.07.2014 ein Anspruch gegen den Beklagten auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) hilfsweise gegen die Beigeladene auf Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (SGB XII) zusteht.

Die am … 1970 geborene Klägerin ist irische Staatsangehörige. Sie arbeitete von 1997 bis August 2001 überwiegend als Helferin in der Altenpflege in Deutschland. Vom 01.01.2005 bis 25.09.2006 bezog sie bereits Leistungen nach dem SGB II vom Beklagten.

Nach einem zwischenzeitlich 6-jährigen Aufenthalt in Irland übersiedelte sie mit ihren beiden minderjährigen Kindern am 18.10.2012 nach Deutschland. Im Rahmen ihrer Aufenthaltsanzeige gemäß § 5 Freizügigkeitsgesetz/EU gab sie an, zur Arbeitssuche eingereist zu sein.

Am 03.12.2012 beantragte sie für sich und ihre Kinder Leistungen nach dem SGB II.

Mit Bescheid vom 22.01.2013 lehnte der Beklagte die Bewilligung von Leistungen ab, weil sich das Aufenthaltsrecht der Klägerin allein aus ihrer Arbeitssuche ergebe. Es bestehe daher ein Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II.

Hiergegen legte die Klägerin am 28.01.2013 Widerspruch ein und beantragte am gleichen Tage die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes.

In dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren (S 10 AS 137/13 ER) verpflichtete das Sozialgericht Speyer mit Beschluss vom 07.02.2013 den Beklagten zur vorläufigen Gewährung von Grundsicherungsleistungen bis zur Bestandskraft des Ablehnungsbescheids.

Die Klägerin arbeitete vom 23.02.2013 bis 07.05.2013 in geringfügigem Umfang (1,3 Stunden pro Woche) bei einer Gebäudereinigungsfirma. Sie betreute von April bis August 2013 10 Stunden in der Woche eine ältere Person und erhielt hierfür 250,00 €. Danach arbeitete sie nur noch einen Tag in einem Restaurant. In der Folgezeit war sie auf Arbeitssuche.

Mit Bescheid vom 09.10.2013, abgeändert durch die Bescheide vom 07.11.2013 und 14.01.2014, bewilligte der Beklagte der Klägerin für die Zeit 01.08.2013 bis 31.01.2014 und mit weiterem Bescheid vom 14.01.2014 vom 01.02.2014 bis 13.02.2014 vorläufig Leistungen. Die Vorläufigkeit nach § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 328 Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) begründete er mit einem Verweis auf den Vorlagebeschluss des BSG vom 12.12.2013 - B 4 AS 9/13 R - an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) und eine mögliche Beschäftigungsaufnahme der Klägerin.

Mit Bescheid vom 14.01.2014 lehnte der Beklagte gegenüber der Klägerin schließlich die Gewährung von Leistungen für die Zeit vom 14.02.2014 bis 31.07.2014 unter Hinweis auf § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ab.

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und beantragte erneut mit einem am 01.02.2014 beim Sozialgericht Speyer eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Mit Beschluss vom 13.02.2014 verpflichtete das Sozialgericht im Verfahren S 6 AS 205/14 ER den Beklagten, der Klägerin „vorläufig über den 13.02.2014 hinaus bis zum Eintritt der Bestandskraft des Bescheides vom 14.01.2013, längstens bis zum 31.07.2014 Leistungen in Höhe von 821,00 € und, bei Nachweis, auch vom Energieversorger geforderte Abschläge für angemessene Heizkosten zu gewähren„.

Der Beklagte bewilligte der Klägerin daraufhin mit Bescheid vom 05.03.2014 weiter Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ...

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