Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtzeitige Einreichung des Heil- und Kostenplans zur Bewilligung des Festzuschusses beim Zahnersatz durch die Krankenkasse
Orientierungssatz
1. Bei bestehender Versorgungsnotwendigkeit bewilligt die Krankenkasse den zum Zahnersatz zu leistenden Festzuschuss gemäß § 55 SGB 5 entsprechend dem im Heil- und Kostenplan (HKP) des Vertragszahnarztes ausgewiesenem Befund.
2. Die Bewilligung des Festzuschusses hat vor der Behandlung zu erfolgen. Dies sichert den mit der Genehmigung des HKP verfolgten Zweck, nämlich die Einhaltung der Grundsätze der Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit. Wurde der HKP erst nach Beginn der zahnärztlichen Behandlung bei der Krankenkasse eingereicht, so ist die Bewilligung des Festzuschusses ausgeschlossen.
3. Etwas anderes gilt im Fall eines Notfalles i. S. des § 76 Abs. 1 S. 2 SGB 5. Erstrecken sich dokumentierte Zahnschmerzen über einen längeren Zeitraum vor Einreichung eines HKP bei der Krankenkasse, so wird hierdurch das Vorliegen eines Notfalles widerlegt.
4. Die Bewilligung eines Festzuschusses im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ist ausgeschlossen, wenn dem Vertragszahnarzt nicht nachzuweisen ist, dass er den Versicherten aus eigener Unkenntnis oder fahrlässigem Unterlassen nicht darüber aufgeklärt hat, dass es für die Bewilligung des Festzuschusses der vorherigen Einreichung eines HKP bedarf.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Bewilligung des Festzuschusses für Zahnersatz von der Beklagten nach den Vorschriften des Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).
Der 1949 geborene Kläger reichte am 16. Juli 2013 einen Heil- und Kostenplan (HKP) des behandelnden Zahnarztes L. bei der Beklagten ein. Das Datum der Ausstellung war mit dem 9. April 2013 angegeben; die Unterschrift des Zahnarztes sowie die Anlagen datierten vom 20. Juni 2013.
Ausweislich des HKP war im Oberkiefer für den Zahn 14 eine Vollkrone bei fehlendem Zahn in Tangentialpräparation geplant. Für die Zähne 13 bis 22 war eine Vollkrone in Hohlkehl- bzw. Stufenpräparation vorgesehen. Die Zähne 23 bis 26 sollten mit einer Brücke versorgt werden, wobei die Zähne 23 und 26 die Pfeilerzähne darstellten. Als voraussichtliche Behandlungskosten setzte Herr L. einen Gesamtbetrag von EUR 5.080,05 an, wobei bereits der Festzuschuss in Höhe von EUR 1.626,02 (ohne Bonus) berücksichtigt war. Im Unterkiefer war die Versorgung der Zähne 46 bis 34 mit einer Vollkrone in Hohlkehl- bzw. Stufenpräparation für die erhaltungswürdigen Zähne vorgesehen. Die Zähne 35 bis 37 sollten mit einer Brücke versorgt werden. Das Honorar wurde mit voraussichtlich EUR 4.363,54 angegeben, wobei ein Festzuschuss in Höhe von EUR 1.937,50 bereits abgezogen war.
Die Beklagte beauftragte die Zahnärztin H. mit einer Begutachtung. Sie kam im Gutachten vom 27. Juli 2013 nach Vorlage von Modellen zu dem Ergebnis, dass der Befund der Regelversorgung bereits falsch angegeben sei, da alle Zähne bereits überkront waren. Das Erfordernis einer Versorgung der Zähne 12, 11, 21, 22, 32, 31 und 41 bis 43 lasse sich nachträglich nicht mehr erkennen. Gleiches gelte für die Funktionstüchtigkeit bzw. Erneuerungsbedürftigkeit der Zähne 13 bis 11, 21 bis 23, 26, 31, 32, 41, 43. Die Brücke zwischen den Zähnen 35 bis 37 sei wegen des Zahnverlustes des Zahnes 36 injiziert, auch seien die Zähne 33, 34, 44 bis 46 grundsätzlich überkronungsbedürftig. Eine Vitalitätsprüfung sei hinsichtlich der Zähne 12, 22, 44, 46 erforderlich.
In einer von der Beklagten angeforderten Stellungnahme führte der behandelnde Zahnarzt aus, dass die Gutachterin die Röntgenaufnahme nicht korrekt interpretiert habe. Die Verblockung der vorherigen Kronen habe zu einer chronischen Parodontitis geführt. Die Zähne 14, 15, 36, 47 hätten entfernt werden müssen, weil sie stark geschädigt seien.
Mit Bescheid vom 20. November 2013 lehnte die Beklagte die Bewilligung des Festzuschusses ab. Aus § 87 Abs 1 a SGB V folge, dass die Zahlung des Festzuschusses ausgeschlossen sei. Nach Behandlungsbeginn sei die Notwendigkeit einer zahnärztlichen Behandlung und der gewählten Versorgung nicht mehr zu klären.
Seinen am 27. November 2013 erhobenen Widerspruch begründete der Kläger damit, dass er im März 2013 plötzlich Zahnschmerzen bekommen habe. Der Zahnarzt habe erst eine professionelle Zahnreinigung vorgenommen, die Schmerzen seien aber geblieben. Nach einer Röntgenaufnahme seien alle Kronen entfernt worden, weil sie verblockt gewesen seien. Anschließend seien fünf Zähne gezogen worden, wonach der Schmerz verschwunden sei. Im Widerspruchsbescheid vom 5. März 2014 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und verwies erneut auf § 87 Abs 1 a SGB V.
Hiergegen erhob der Kläger am 2. April 2014 Klage zum Sozialgericht Stade.
Er ist der Auffassung, der Festzuschuss sei ihm zu bewilligen, da es sich um eine Notfallbehandlung im März 2013 gehandelt habe. Anschließend sei sogleich der HKP erstellt und eingereicht worden.
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