Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingliederungsvereinbarung als öffentlich-rechtlicher Vertrag. Zusicherung der Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer. Bindungswirkung. Rechtswidrigkeit der Ablehnung wegen verspäteter Antragstellung. Zulassung der verspäteten Antragstellung als unbillige Härte
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Eingliederungsvereinbarung iS von § 37 Abs 2 SGB 3 stellt trotz des abweichenden Willens des Gesetzgebers (BT-Drucks 14/6944 Seite 31) einen subordinationsrechtlichen öffentlich-rechtlichen Vertrag dar.
2. Aus einer solchen Eingliederungsvereinbarung können demzufolge auch für die Bundesagentur für Arbeit Pflichten erwachsen.
3. Die im Rahmen einer Eingliederungsvereinbarung als Leistung der Agentur für Arbeit getroffene Vereinbarung "Unterstützung durch Entgeltsicherung, wenn eine geringer bezahlte Stelle angenommen wird" stellt eine Zusicherung iS von § 34 SGB 10 dar. Die Bundesagentur für Arbeit ist für den Fall der tatsächlichen Aufnahme einer solchen geringer bezahlten Stelle an diese Zusicherung gebunden und kann sich nicht auf eine fehlende rechtzeitige Antragstellung berufen.
4. Die Ablehnung eines Antrags durch die Bundesagentur für Arbeit wegen verspäteter Antragstellung stellt dann, wenn dieselbe Leistung zuvor im Rahmen einer Eingliederungsvereinbarung ohne Vorbehalt dem Grunde nach zugesagt worden ist, ein Verstoß gegen Treu und Glauben dar, so dass wegen Vorliegens einer unbilligen Härte die verspätete Antragstellung nach § 324 Abs 1 S 2 SGB 3 zuzulassen ist.
Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 19. August 2009 und der Widerspruchsbescheid vom 8. Oktober 2009 werden aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer ab 2. Juni 2009 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Gewährung von Leistungen der Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer.
Der 1956 geborene Kläger war von 1983 bis Mai 2009 bei der G. beschäftigt bei einem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt von ca 3.500,-- EUR. Das Arbeitsverhältnis wurde durch Aufhebungsvertrag zum 31. Mai 2009 beendet, der Kläger erhielt eine Abfindung von etwa 198.000,-- EUR brutto. Bereits im März 2009 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitsuchend, wobei zumindest am 31. März 2009 eine ausführlichere Beratung durch den Mitarbeiter der Beklagten H. erfolgte. In dieser Beratung wurde auch über die Möglichkeit der Unterstützung des Klägers durch Leistungen der Entgeltsicherung nach § 421j Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) gesprochen, dem Kläger wurde das entsprechende Merkblatt 19 ausgehändigt. Darüber hinaus schlossen Kläger und Beklagte am 31. März 2009 eine Eingliederungsvereinbarung. In dieser ausdrücklich bis 29. September 2009 gültigen Eingliederungsvereinbarung wurde unter “1. Leistungen Agentur für Arbeit Osterholz-Scharmbeck„ vereinbart:
- Einbeziehung in die Vermittlungsaktivitäten
- Veröffentlichung des Bewerberprofils in der Jobbörse unter Arbeitsagentur.de
- Unterstützung durch Entgeltsicherung (Egs), wenn eine geringer bezahlte Stelle angenommen wird (Merkblatt 19)
- neuer Termin wird zugesandt.
Auf Vermittlung durch die Beklagte trat der Kläger unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei der G. am 2. Juni 2009 eine Tätigkeit als Elektriker bei Firma I. bei einem Stundenlohn von 10,-- EUR brutto an. Am 28. Juli 2009 beantragte er für diese am 2. Juni 2009 aufgenommene Beschäftigung Leistungen der Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer.
Mit ablehnendem Bescheid vom 19. August 2009 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die begehrten Leistungen der Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer nicht gewährt werden könnten, da der Antrag verspätet gestellt worden sei. Grundsätzlich sei ein derartiger Antrag vor Aufnahme der Beschäftigung zu stellen, dies habe der Kläger versäumt. Er könne sich auch nicht darauf berufen, dass eine unbillige Härte vorliege, da er bereits im März 2009 hinreichend über die Pflichten informiert worden sei. Insbesondere sei ihm das Merkblatt 19 ausgehändigt worden, aus welchem die Pflicht zur rechtzeitigen Antragstellung hervorgehe. Mit Widerspruch vom 8. September 2009 machte der Kläger geltend, er habe den Mitarbeiter der Beklagten H. im Beratungsgespräch im März 2009 so verstanden, dass ein Antrag auf Entgeltsicherungsleistungen die Kenntnis der konkreten Höhe des neuen Einkommens voraussetzen würde. Erst ab 15. Juli 2009 habe er diese Kenntnis vom neuen Verdienst gehabt, so dass er erst danach den Antrag habe stellen können. Mit Widerspruchsbescheid vom 8. Oktober 2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte erneut aus, dem Kläger sei bereits am 31. März 2009 das einschlägige Merkblatt ausgehändigt worden. Insoweit könne es sich allenfalls um ein Missverständnis gehandelt haben, jedoch hätte der Kläger bei Unklarheiten nachfragen können, um seine Pflichten in Erfahrung zu bringen.
Der Kläger hat am 23. Oktober...