Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Anfall einer Terminsgebühr bei Abschluss eines schriftlichen Vergleichs ohne mündliche Verhandlung. planwidrige Regelungslücke

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird im sozialgerichtlichen Verfahren auch ohne mündliche Verhandlung ein schriftlicher Vergleich geschlossen, so fällt in der Regel gleichwohl eine Terminsgebühr an.

2. Aus der Vorbemerkung 3 Abs 3 von Teil 3 von Anlage 1 zu RVG ist zu entnehmen, dass hier eine auszufüllende planwidrige Regelungslücke besteht (entgegen LSG Essen vom 29.8.2007 - L 2 B 13/06 KN).

 

Tenor

Auf die Erinnerung des Klägers hin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin vom 9. März 2009 mit der Maßgabe abgeändert, dass die von der Beklagten zu erstattenden außergerichtlichen Kosten gemäß § 197 Abs. 1 SGG auf 457,37 € zzgl. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 11. Dezember 2008 festgesetzt wird.

 

Gründe

1. Das Ausgangsstreitverfahren betraf die Bewertung der Höhe der bei dem Kläger vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen im Rahmen der Durchführung des Behindertenrechts nach dem SGB IX. Auf einen entsprechenden Erstantrag des im Jahr 1975 geborenen Klägers vom 1. April 2006 hatte die Beklagte im Rahmen der anlassgebotenen Sachaufklärung ärztliche Befund-angaben erhoben und gelangte nach entsprechender versorgungsärztlicher Stellungnahme zunächst zu einer Feststellung des Gesamtgrads der Behinderung (GdB) mit einem Betrag in Höhe von 30. Auf den Widerspruch des Klägers hin und nach nachfolgender zweifacher versorgungsärztlicher Sachbefassung bestätigte die Beklagte mit dem im Ausgangsverfahren zugleich angefochtenen Widerspruchsbescheid vom 11. Januar 2007 den vorangegangenen ersten Feststellungsbescheid vom 7. August 2006 in vollem Umfang.

2. Der seinerzeit noch nicht anwaltlich vertretene Kläger erhob hiergegen form- und fristgerecht Klage zu dem Sozialgericht Stuttgart und kündigte eine Mandatierung seines Rechtsanwalts an für den Fall der Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Dieser beantragte nach erfolgter Akteneinsicht alsdann förmlich auch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Neben Sachausführungen legte er dem Bericht auch die erforderlichen Nachweise über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers vor, einschließlich Kopie eines Leistungsbescheids über den Bezug von Arbeitslosengeld in Höhe von 153,68 € monatlich. Mit entsprechendem Beschluss des Kammervorsitzenden wurde dem Kläger in der Folge auch Prozesskostenhilfe ohne Anordnung von Ratenzahlungen unter Beiordnung des erinnerungsführenden Rechtsanwalts bewilligt. Im Rahmen der gerichtlich veranlassten Sachaufklärung und unter sinngemäßer Umsetzung entsprechender Beweisanregungen des Prozessbevollmächtigten des Klägers holte das Gericht drei sachverständige ärztliche Zeugenauskünfte ein und veranlasste in der weiteren Folge zur Abklärung der von dem Kläger behaupteten Darstellung, die Beklagte habe seine Funktionsbeeinträchtigungen deutlich zu niedrig bewertet die Einholung eines gezielten neurologisch/psychiatrischen Fachgutachtens durch Dr. P./Plochingen als einem gerichtsbekannter Maßen langjährig mit den maßgeblichen Ausgangsproblematiken vertrauten Facharzt. Nach gewissen Schwierigkeiten ließ sich die erforderliche Untersuchung des Klägers realisieren. Dr. P. erstellte unter dem 13. August 2008 sein Zustandsgutachten mit dem Vorschlag einer Bewertung des Gesamt-GdB in Höhe von 50. Nachfolgend bezeichnete Versorgungsärztin Frau Dr. K. diesen gutachterlichen Vorschlag als nicht stichhaltig widerlegbar und schlug die Erklärung eines entsprechenden Anerkenntnisses vor. Mit Schriftsatz vom 12. November 2008 setzte das die Sachbearbeitung der Beklagten in Gestalt eines Vergleichsangebots auf der Basis eines GdB in Höhe von 50 ab 31. März 2006 um und erklärte sich zugleich zur Erstattung der Hälfte der außergerichtlichen Kosten bereit. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hielt hierwegen zunächst Rücksprache mit dem Kläger, worauf in der Folge mit außergerichtlichem Vergleich vom 12. November 2008/2. Dezember 2008 der Rechtsstreit seine Erledigung fand.

3. Soweit für das vorliegende Kostenerinnerungsverfahren maßgeblich stellte dann der Prozessbevollmächtigte des Klägers neben den üblichen Zusatzposten eine Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 VV in Höhe von 300,00 €, eine Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV in Höhe von 240,00 € sowie eine Einigungsgebühr gemäß Nr. 1000, 1005 und 1006 VV in Höhe von 228,00 € als Grundlage des hälftigen Kostenerstattungsanspruchs in Rechnung. Hiergegen machte die Beklagte Gegenvorstellungen bezüglich der Verfahrensgebühr und der Erledi-gungsgebühr geltend (jeweils 250,00 € bzw. 190,00 € als aus ihrer Sicht angemessen) und bezeichnete zugleich die geltend gemachte Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV als nicht anwendbar. - Mit dem zu Grunde liegenden Kostenfestsetzungsbeschluss der Kostenbeamtin vom 9. März 2009 übernahm diese in vollem Umfang die Darstellungen der Beklagten.

4. Der Erinne...

Dieser Inhalt ist unter anderem im SGB Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?