Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Wegeunfall. sachlicher Zusammenhang. objektivierte Handlungstendenz. Unfallkausalität. Verwirklichung eines Wegerisikos im öffentlichen Verkehr. Niesanfall. Greifen nach einem Taschentuch während der Heimfahrt
Orientierungssatz
1. Weder ein Niesanfall noch ein Griff nach Taschentüchern stellen eine auf das Zurücklegen des Weges gerichtete Verrichtung eines Landschaftsgärtners dar, wenn mangels medizinischen Befundes nicht festgestellt werden kann, dass der Niesanfall Folge der vor Fahrtantritt verrichteten Tätigkeit (hier: im Gartenlager) war.
2. Die Wegeunfallversicherung schützt vor Gefahren für Gesundheit und Leben, die aus der Teilnahme am öffentlichen Verkehr als Fußgänger oder Benutzer eines Verkehrsmittels, also aus eigenem oder fremdem Verkehrsverhalten oder äußeren Einflüssen während der Zurücklegung des Weges hervorgehen. Niesen und Greifen nach Taschentüchern stellen keine Gefahren dar, die aus der Teilnahme am öffentlichen Verkehr resultieren.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger am 01.10.2016 einen Arbeitsunfall erlitten hat.
Der 1948 geborene Kläger ist selbständiger Landschaftsgärtner. Am 01.10.2016 war er mit seinem Lkw in Stuttgart auf dem Weg von seinem Gartenlager zu seiner Wohnung unterwegs. Während der Fahrt verlor er das Gleichgewicht und kippte nach rechts, wobei er im Bereich der Rippen auf die Handbremse oder Gurteinsteckvorrichtung fiel.
Als Erstdiagnose wurde eine Fraktur der 10. Rippe rechts gestellt (Durchgangsarztbericht K./B. vom 02.10.2016, L1 VA). Zum Unfallhergang wurde dabei angegeben, der Kläger habe während der Fahrt nach dem Radio gegriffen, dabei das Gleichgewicht verloren, sei nach rechts gekippt und dabei mit dem Brustkorb am ehesten auf die Gurteinsteckvorrichtung gefallen.
In der Unfallanzeige vom 18.10.2016 (L7 VA) gab der Kläger an, er sei beim Fahren aus der Spur gekommen und dann nach rechts gekippt und habe sich die Rippen angehauen. Die rechte Hand sei an der Handbremse gewesen.
Eine Kernspintomographie vom 31.01.2017 ergab keinen Nachweis einer Rippenfraktur, eine rechtskonvexe Thorakalskoliose mit florider erosive Osteochondrose bei TH8/9 links und eine Aortenektasie bis maximal 4,4 cm (Bericht vom 01.02.2017, L35 VA).
Mit Schreiben vom 17.02.2017 (L40 VA) teilte der Kläger mit, er habe aus dem Fach beim Radio ein Taschentuch holen wollen und dabei sei das Auto aus der Spur gekommen und er sei auf die Handbremse gefallen.
Mit Bescheid vom 24.02.2017 lehnte die Beklagte eine Entschädigung des Unfalls am 01.10.2016 ab, weil es sich nicht um einen entschädigungspflichtigen Arbeitsunfall gehandelt habe. Der Versicherungsschutz der landwirtschaftlichen Unfallversicherung umfasse nur die Unfälle, die sich im Zusammenhang mit der Bewirtschaftung eines gärtnerischen Betriebes ereigneten. Der Unfall habe sich bei einer eigenwirtschaftlichen bzw. privaten Tätigkeit ereignet. Die unfallbringende Tätigkeit habe somit nicht im Zusammenhang mit dem versicherten Unternehmen gestanden.
Gegen den Bescheid legte der Kläger am 23.03.2017 Widerspruch ein. Es sei ein Arbeitsunfall gewesen, da er in seinem Garten Restmaterial von einer Kundin abgeladen habe. Auf dem Nachhauseweg habe er einen Niesanfall erlitten, so dass er nach rechts zu dem auf dem Armaturenbrett liegen Taschentuch gegriffen habe. Dabei sei er verunfallt. Eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit sei in dem erlittenen Niesanfall nicht zu sehen. Vielmehr handele es sich dabei um einen typischen im Zusammenhang mit dem Beruf - der Bewirtschaftung seines gärtnerischen Betriebes - erlittenen Unfall. Infolge der Staubentwicklung, die durch das vorherige Plattenschneiden, Umladen von Schutt, Sand und Splittmaterial hervorgerufen worden sei, habe die versicherte Tätigkeit den besonderen Nieszwang verursacht, der ohne die betriebliche Tätigkeit gar nicht aufgetreten wäre.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.12.2017 wies die Beklagte unter Wiederholung der Ausführungen im angefochtenen Bescheid den Widerspruch zurück.
Am 16.01.2018 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Stuttgart erhoben. Auf dem Weg von seinem Gartenlager habe er einen Niesanfall erlitten, sodass er beim Greifen zu einem Taschentuch, das sich auf dem Armaturenbrett neben dem Radio befunden habe, die Kontrolle über das Fahrzeug verloren habe und von der Spur abgekommen sei. Beim Niesen und Greifen nach dem Taschentuch habe er den Gurthebel gestreift, sodass er die Kontrolle über das Fahrzeug verloren und sich an den Rippen verletzt habe. Im Übrigen wiederholt er im Wesentlichen seine Ausführungen im Widerspruchsverfahren.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 24.02.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.12.2017 aufzuheben und das Ereignis vom 01.10.2016 als Arbeitsunfall festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Auffassung, bei dem Unfall aufgrund des Niesanf...