Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Vergütungsforderung für eine streitige Krankenhausbehandlung. Abrechnungsprüfung durch den MDK. Schlichtungsverfahren vor Klageerhebung auch bei Behandlungsbeginn vor Inkrafttreten der Regelung des § 17c Abs 4b S 3 KHG am 1.8.2013. Anwendbarkeit auch für aufgerechnete Gegenforderungen. Garantie des effektiven Rechtsschutzes. Hemmung der Verjährung einer Vergütungsforderung. keine Aussetzung des Gerichtsverfahrens
Orientierungssatz
1. § 17c Abs 4b S 3 KHG ist auch auf Konstellationen anzuwenden, in denen nicht die vom Krankenhaus eingeklagte Hauptforderung, sondern die Gegenforderung, mit welcher die Krankenkasse aufgerechnet hat, strittig ist (vgl SG Karlsruhe vom 24.2.2014 - S 5 KR 4463/13).
2. § 17c Abs 4b S 3 KHG gilt auch für Krankenhausbehandlungen, die vor dem 1.8.2013 stattgefunden haben (vgl SG Karlsruhe vom 24.2.2014 - S 5 KR 4463/13 aaO).
3. Durch die Kodifizierung von § 17c Abs 4 und Abs 4b S 3 KHG hat der Gesetzgeber auch in Art 19 Abs 4 GG eingegriffen. Dieser Eingriff ist aber verfassungsgemäß.
4. Das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Art 19 Abs 4 GG wird auch dann nicht verletzt, wenn das obligatorische Schlichtungsverfahren nicht durchgeführt werden kann, weil ein arbeitsfähiger Schlichtungsausschuss nach § 17c Abs 4 und Abs 4b S 3 KHG noch nicht existiert (vgl LSG München vom 26.5.2014 - L 5 KR 125/14 B und SG Mainz vom 4.6.2014 - S 3 KR 645/13).
5. Die Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung ergibt sich auch unter Berücksichtigung des Verjährungsrechts nicht (vgl SG Berlin vom 25.3.2014 - S 182 KR 2450/13).
6. Das Gerichtsverfahren ist auch nicht in analoger Anwendung von § 114 Abs 2 SGG auszusetzen, um den Beteiligten Gelegenheit zu geben, bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung das Schlichtungsverfahren zur Nachholung der Sachurteilsvoraussetzungen durchzuführen (vgl SG Karlsruhe vom 24.2.2014 - S 5 KR 4463/13 aaO).
Nachgehend
BSG (Vergleich vom 27.11.2014; Aktenzeichen B 3 KR 15/14 R) |
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer vollstationären Krankenhausbehandlung.
Die Klägerin betreibt ein Krankenhaus, welches zur Krankenhausbehandlung in der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassen ist. Sie behandelte in der Zeit vom 16.09.2009 bis zum 29.09.2009 die bei der Beklagten krankenversicherte M. vollstationär. Die Klägerin stellte der Beklagten unter dem 1.10.2009 Behandlungskosten in Höhe von 8.377,53 Euro in Rechnung, die von der Beklagten zunächst vollständig beglichen worden waren.
Die Beklagte beauftrage in der Folgezeit den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung der Krankenhausbehandlung auf der Grundlage der Behandlungsunterlagen (Operationsbericht, Krankenhausentlassbericht, Pflegebericht und Fieberkurve). Der MDK kam in seinen Abrechnungsprüfungen vom 15.02.2010 und 12.07.2013 zu dem Ergebnis, die Klägerin habe falsch abgerechnet. Nachdem die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 17.02.2010 und 16.07.2013 erfolglos aufforderte, einen Betrag in Höhe von 1.460,95 Euro zurückzuerstatten, rechnete sie diesen mit einer Forderung aus einem anderen Behandlungsfall auf.
Ohne zuvor ein Schlichtungsverfahren durchführen zu lassen, hat die Klägerin am 19.12.2013 beim Sozialgericht Ulm Klage erhoben, mit der sie die Zahlung von Behandlungskosten in Höhe von 1.446,83 € durchsetzen will. Sie ist der Auffassung, die Klage sei zulässig. Ihr stehe nicht entgegen, dass ein Schlichtungsverfahren bislang nicht durchgeführt worden sei. § 17c Abs. 4b Satz 3 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) sei wegen des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG dergestalt verfassungskonform auszulegen, dass die Beschreitung des Sozialrechtsweg ohne vorheriges Schlichtungsverfahren zulässig sei.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie Behandlungskosten in Höhe von 1.446,83 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem auf die Verrechnung folgenden Tag zu zahlen, und hilfsweise
die Sprungrevision zuzulassen.
Die Beklagte stellt keinen Sachantrag. Sie beantragt aber ausdrücklich,
die Sprungrevision zuzulassen.
Auch nach Auffassung der Beklagten ist die Klage zulässig.
Am 05.02.2014 hat das Gericht die auf der Webseite der Landeskrankenhausgesellschaft “mit Stand vom 01.01.2014„ als Vorsitzende des Schlichtungsausschusses nach § 17 c Abs. 4 KHG bezeichneten Personen, Herr Prof. Dr. C. und Frau Prof. Dr. F.r, zur Funktionstüchtigkeit des Schlichtungsausschusses in Baden-Württemberg befragt. Diese Befragung hat ergeben, dass in Baden-Württemberg der Schlichtungsausschuss zur Überprüfung der nach Durchführung einer Abrechnungsprüfung durch den MDK streitigen Vergütungen von dessen Vereinbarungspartnern, der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft e.V. und dem Landesverband der Kra...