Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. zuständiges Gericht. Kassenarztangelegenheiten. Zuständigkeit gem § 57a Abs 3 SGG. qualifiziertes Betroffensein. Auslegung. bundesrechtliche Norm
Leitsatz (amtlich)
1. § 57a Abs. 3 SGG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I S 444) begründet nach Entstehungsgeschichte und Sinn und Zweck des Gesetzes keine neue Generalzuständigkeit im Leistungserbringerrecht dergestalt, dass die Zuständigkeit des Gerichts am Sitz der Landesregierung bereits gegeben wäre, wenn die Angelegenheit Entscheidungen oder Verträge auf Landesebene nur berührt. Entscheidungen und Verträge auf Landesebene müssen vielmehr in qualifizierter Weise "betroffen" sein. Maßgeblich für die Auslegung von § 57a Abs. 3 SGG ist, ob aus Gründen der Verfahrensökonomie, der Einheitlichkeit der Rechtsprechung und der Bündelung der Fachkompetenz am Sozialgericht eine Konzentration solcher Angelegenheiten an einem einzigen Sozialgericht im Land angezeigt ist.
2. Besteht weder Streit noch Unklarheit über Wirksamkeit oder Inhalt einer Entscheidung auf Landesebene (hier: Zulassung nach § 126 Abs. 1 SGB V a. F.), sondern wird allein um die Rechtsfolgen aus einer bundesrechtlichen Norm (hier: § 126 Abs. 2 SGB V) gestritten, so richtet sich die Zuständigkeit nach § 57 Abs. 1 SGG.
Tenor
Das Sozialgericht Wiesbaden erklärt sich für örtlich unzuständig und verweist den Rechtsstreit an das Sozialgericht Marburg, Gutenbergstr. 29, 35037 Marburg.
Gründe
Gemäß § 57 Abs.1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist örtlich zuständig das Gericht, in dessen Bezirk die Antragstellerin zur Zeit der Antragstellung ihren Sitz hat. Hiernach ist für den Rechtsstreit das Sozialgericht Marburg zuständig, da F. im Bezirk dieses Gerichts liegt.
Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeit des Sozialgerichts Wiesbaden nach § 57a Abs. 3 SGG i. d. F. des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I S 444) liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift ist in Angelegenheiten, die Entscheidungen oder Verträge auf Landesebene betreffen, mangels landesrechtlicher Spezialregelung in Hessen das Sozialgericht zuständig, in dessen Bezirk die Landesregierung ihren Sitz hat.
Mit der Neuregelung des § 57a SGG sollte in Abkehr von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Beschluss vom 27. Mai 2004, Az.: B 7 SF 6/04 S) lediglich redaktionell klargestellt werden, dass die Vorschrift nicht auf Vertragsarztangelegenheiten beschränkt ist (BR-Drucks. 820/07, S. 20; Tabbara NZS 2008, 1 (13) m. w. N. zur Entstehungsgeschichte). § 57a Abs. 3 SGG n. F. begründet nach Entstehungsgeschichte und Sinn und Zweck des Gesetzes aber keine neue Generalzuständigkeit dergestalt, dass die Zuständigkeit des Gerichts am Sitz der Landesregierung bereits gegeben wäre, wenn die Angelegenheit Entscheidungen oder Verträge auf Landesebene nur berührt. Insbesondere sollte keine Auffangzuständigkeit für alle sonstigen Leistungserbringerstreitigkeiten im Bereich der Gesetzlichen Krankenversicherung geschaffen werden (Jung in: Jansen (Hrsg.), SGG, 2. Aufl., § 57a Rn. 7 zum Streit um die Vorgängerregelung; i. Erg. auch Hess. LSG, Beschl. vom 24. Mai 2002, Az.: L 9 SF 14/02 zum Parallelproblem bei Streitigkeiten um die Krankenhausvergütung). Angelegenheiten “betreffen„ hiernach Entscheidungen oder Verträge auf Landesebene, wenn eine solche Entscheidung oder ein solcher Vertrag selbst Streitgegenstand ist, z. B. das Bestehen oder der Abschluss in Streit stehen. Weiterhin sind Entscheidungen oder Verträge auf Landesebene “betroffen„, wenn nach dem Antragsteller-oder Klägervortrag gerade die Auslegung einer solchen Entscheidung oder eines solchen Vertrages streitentscheidend sein soll. Bei der weiteren Konkretisierung der Norm im Einzelfall muss der Sinn und Zweck der Regelung auslegungsleitend sein, nämlich ob aus Gründen der Verfahrensökonomie, der Einheitlichkeit der Rechtsprechung und der Bündelung der Fachkompetenz am Sozialgericht eine Konzentration solcher Angelegenheiten am Gericht am Sitz der Landesregierung angezeigt ist (vgl. BR-Drucks. 820/07, S. 20).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Antragstellerin -ein nach altem Recht zugelassener Leistungserbringer -auch gegenwärtig noch berechtigt ist, Leistungen im Bereich der Versorgung mit Hilfsmitteln (Dekubitusprophylaxe und -behandlung) für die Antragsgegnerin -eine Krankenkasse -zu erbringen, obwohl diese bereits nach neuem Recht nach einer Ausschreibung Verträge mit Dritten über die Versorgung mit Anti-Dekubitus-Systemen geschlossen hat. Die Antragstellerin beruft sich auf die gesetzliche Übergangsvorschrift des § 126 Abs. 2 SGB V.
Das streitige Rechtsverhältnis zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin ist nicht durch einen (Versorgungs-)Vertrag auf Landesebene geprägt, nach dem die Antragstellerin Vertragspartnerin der L...