Rz. 5
Der Apothekerverband Nordrhein e. V. und die AOK Rheinland/Hamburg haben im Juli 2020 den bundesweit ersten Vertrag im Rahmen eines Modellvorhabens zur Grippeschutzimpfung vereinbart. Ziel ist es, die Durchimpfungsraten weiter zu steigern. Dieser weitere, niederschwellige Zugang zur Impfung soll es den Versicherten nach Darstellung des Vorstandsvorsitzenden der AOK leichter machen, sich gegen Influenza impfen zu lassen. Dabei sehen die Vertragspartner das Angebot an die Versicherten der AOK Rheinland/Hamburg als eine Ergänzung zum Grippeschutz-Impfangebot der Ärzteschaft. Bisher sind nach Angaben des Vorsitzenden des Apothekerverbandes nur rd. 35 % der Bundesbürger ab 60 Jahren gegen Grippe geimpft. Damit liegt Deutschland von den auch von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) angestrebten 75 % noch weit entfernt. Bevor die Impfungen in Apotheken ab der Grippesaison im Herbst 2020 starten konnten, mussten die daran teilnehmenden Apothekerinnen und Apotheker eine spezielle Fortbildung gemäß den entsprechenden Leitlinien der Bundesapothekerkammer absolvieren.
In 4 ausgewählten Regionen in Nordrhein ist das Modellprojekt "Grippeschutzimpfungen in Apotheken" inzwischen erfolgreich gestartet. Apotheken in den 4 Modellregionen können dem Modellvorhaben beitreten, wenn sie die persönlichen und räumlichen Voraussetzungen für das Grippeschutz-Impfen nach den gesetzlichen Vorgaben erfüllen. Zu den persönlichen Voraussetzungen gehört unbedingt eine ärztliche Schulung einer impfberechtigten Apothekerin oder eines impfberechtigten Apothekers aus der jeweiligen Apotheke. Außerdem muss für die Grippeschutzimpfungen ein separater, geeigneter Raum in der Apotheke mit Sitzmöglichkeiten und einer Liege zur Verfügung stehen. Die Apotheken erhalten für die Grippeschutzimpfung eine pauschale Vergütung von 12,61 EUR netto. Damit sind der Impfvorgang, die Verbrauchsmaterialien und die Erhebung der Daten für die notwendige Evaluation des Modellvorhabens abgegolten. Der Impfstoff wird zusätzlich gemäß der Arzneimittelpreisverordnung abgerechnet, wobei 10er-Packungen verwendet werden sollen; der Aufschlag beträgt 1,00 EUR pro Dosis.
Nach dem Stand v. 16.11.2020 sind 250 Apothekerinnen und Apotheker aus insgesamt 125 Apotheken ärztlich geschult worden. Die Schulungen wurden bzw. werden durch erfahrene Impfärzte und auf der Grundlage gesetzlich abgestimmter Regelungen mit dem Robert-Koch-Institut (RKI) und den Paul-Ehrlich-Institut (PEI) durchgeführt. 85 Apotheken können mit dieser amtlichen Legitimation und diesem fachlichen Schulungshintergrund in den Modellregionen Düsseldorf/Umgebung, Duisburg/rechter Niederrhein, Essen/Mülheim/Oberhausen und Bonn-Rhein-Sieg-Kreis Grippeschutzimpfungen ergänzend zur Impfleistung der Ärzte anbieten. Bisher sind rd. 200 Grippeschutzimpfungen in 25 Apotheken durchgeführt worden. Die Apotheken haben inzwischen auch festgestellt, dass sogar Arztpraxen auf die berechtigten Apotheken verweisen und Patienten es sehr begrüßen, neben den Arztpraxen schnell, unkompliziert und qualitätsgesichert in Apotheken, die oftmals nahezu ganztägig an 6 Tagen in der Woche erreichbar sind, geimpft werden zu können. Auch wenn die Apotheken in dieser Grippesaison vielleicht auf rd. 2.000 Impfungen kommen könnten, weil nur Versicherte der AOK Rheinland/Hamburg in den Apotheken geimpft werden können, ist dies nur ein kleiner Beitrag, den die Apotheken bei der wichtigen Grippeschutzimpfung leisten können, vergleicht man diese Zahl mit den etwa 4 Mio. Impfungen der Ärzteschaft in Nordrhein-Westfalen. Längerfristig kann man sich aber vorstellen, dass die Apotheken die schon jetzt z. B. coronabedingt überlasteten Hausarztpraxen mit dem zusätzlichen Impfangebot entlasten werden, so wie es viele europäische Länder bereits vorgemacht haben.
Das Modellprojekt ist im Übrigen auf 3 Jahre befristet. Es wird nach allgemein anerkannten wissenschaftlichen Standards begleitet und ausgewertet.
Auch die AOK Rheinland-Pfalz/Saarland und der Saarländische Apothekerverein (SAV) haben nach Angaben der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) ein Modellvorhaben vereinbart. Ende Oktober 2020 folgten der Bayerische Apothekerverband (BAV) und die AOK Bayern mit einer Modellregion im Regierungsbezirk Oberpfalz und seit Dezember 2020 können sich in Niedersachsen volljährige AOK-Patienten in den teilnehmenden Apotheken gegen Grippe impfen lassen.