Rz. 5
Das Gesetz hat allerdings in Abs. 2 den Krankenkassen zwei Ausnahmemöglichkeiten gelassen, neue Eigeneinrichtungen zu errichten. Dabei geht es einmal um solche Eigeneinrichtungen, die sich auf Aufgaben der Krankenkasse bei der Gesundheitsvorsorge und der Rehabilitation beschränken und die insoweit eine konkret vorhandene Versorgungslücke schließen. Sie dürfen also nicht in Konkurrenz zu vorhandenen Einrichtungen der Leistungserbringer stehen, die der Art und dem Bedarf entsprechend dieselben Leistungen anbieten. Auch ein möglicher Konflikt um die Preise dieser Leistungserbringer wäre für sich gesehen kein Grund, von einer Versorgungslücke auszugehen und deshalb eine Eigeneinrichtung für Gesundheitsvorsorge und/oder Rehabilitation zu gründen. Hat die Krankenkasse aber wegen einer Versorgungslücke eine Eigeneinrichtung für die Gesundheitsvorsorge oder die Rehabilitation errichtet, wird diese auch dann bestehen bleiben, wenn später eine Konkurrenzeinrichtung auf den Plan tritt. Diese kann die vorhandene Eigeneinrichtung nicht automatisch verdrängen, was schon angesichts der Investition und der von der Krankenkasse geschaffenen Arbeitsplätze und des jetzt eingeführten Bestandsschutzes für vorhandene Einrichtungen weder vorstellbar noch zu vertreten wäre. Im Übrigen hätte dann im Gesetz nach dem Wort "soweit" auch die an anderer Stelle übliche Formulierung "und solange" folgen müssen, was aber offenbar bewusst nicht geschehen ist. Bei der Gesundheitsvorsorge und Rehabilitation wird auf solche Leistungen abgestellt, die zum Aufgabenbereich der Krankenkasse gehören. Weitergehende Leistungen der Rehabilitation, für die z.B. die gesetzlichen Rentenversicherungsträger zuständig sind, fallen nicht darunter.
Rz. 6
Die andere Ausnahmemöglichkeit, dass Krankenkassen oder ihre Verbände ärztliche oder zahnärztliche Eigeneinrichtungen errichten, sieht der ohnehin weite Gestaltungsspielraum der Krankenkassen und ihrer Verbände beim Übergang des Sicherstellungsauftrages (§ 72a) vor. Es handelt sich dabei um eine in der Praxis bisher nicht vorgekommene Ausnahmesituation, in der die Versorgung der Versicherten deshalb nicht sichergestellt werden kann, weil sich die Vertrags-(Zahn-)ärzte weigern, die vertrags-(zahn-)ärztliche Behandlung durchzuführen. In Niedersachsen hatten sich zwar 2004 einige zugelassene Kieferorthopäden geweigert, auf der Basis der durch den Bema abgesenkten KfO-Vergütungen die kieferorthopädischen Behandlungen durchzuführen, aber letztlich war es doch nicht zur Gründung einer Eigeneinrichtung gekommen, weil die kieferorthopädische Versorgung anderweitig sichergestellt werden konnte (z.B. Einbindung von Hochschulkliniken, Anwerbung ausländischer Kieferorthopäden).
Rz. 7
Sowohl in § 72a Abs. 3 Satz 2 als auch hier wird den Krankenkassen oder ihren Verbänden zugestanden, in diesem Fall Eigeneinrichtungen zu gründen. Der Erfüllung des Sicherstellungsauftrages räumt der Gesetzgeber derart absolute Priorität ein, dass er unter anderem die Versorgung durch neu zu gründende Eigeneinrichtungen der Krankenkassen erlaubt. Aus der Formulierung oder ihre Verbände folgt, dass sogar die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen gemeinsam diese Eigeneinrichtungen zur Versorgung aller GKV-Versicherten in einem Zulassungsbezirk oder regionalen Planungsbereich gründen können, sie also selbst und nicht die Krankenkassen Träger der Eigeneinrichtungen werden. Bisher ist diese Situation nie eingetreten und auch in Niedersachsen war diese Lösung nicht notwendig, so dass die Frage, was mit der Eigeneinrichtung geschehen würde, wenn die Vertrags(zahn)ärzte ihre vorübergehende Verweigerungshaltung aufgeben und die Versicherten wieder versorgen, nicht beantwortet werden musste. Eine sofortige Aufgabe einer einmal installierten Eigeneinrichtung wäre ohnehin mit erheblichen Schwierigkeiten und Folgekosten verbunden, die dann zumindest die übernehmen sollten, die trotz Sicherstellungspflicht und -monopol die Versorgung, wenn auch vorübergehend, nicht sichergestellt haben. Alternativ böte sich an, auch diesen Eigeneinrichtungen einen Bestandsschutz zuzubilligen, solange sie sich wirtschaftlich tragen.