2.2.1 Siebter Abschnitt des Ersten Teils (§§ 35 bis 43 GWB)
Rz. 18
Mit dem Verweis auf den Siebten Abschnitt des Ersten Teils des GWB werden die §§ 35 bis 43 GWB in Bezug genommen. Hierbei handelt es sich um die grundlegenden Regelungen über die Voraussetzungen, unter denen eine Zusammenschlusskontrolle durch das BKartA zu erfolgen hat. § 35 Abs. 1 GWB macht den Geltungsbereich der Zusammenschlusskontrolle davon abhängig, dass im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss
- die beteiligten Unternehmen insgesamt weltweit Umsatzerlöse von mehr als 500 Mio. EUR und
- im Inland mindestens ein beteiligtes Unternehmen Umsatzerlöse von mehr als 25 Mio. EUR und ein anderes beteiligtes Unternehmen Umsatzerlöse von mehr als 5 Mio. Euro erzielt haben.
Da Krankenkassen schon keine Unternehmen sind, welche Umsätze erzielen, kann die Anwendung des GWB auf Fälle der Vereinigung von Krankenkassen nicht von Umsätzen abhängen. In der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/9852 S. 37) ist dazu ausgeführt: "Die Umsatzberechnung erfolgte bei den bislang beim BKartA angemeldeten Zusammenschlussvorhaben von Krankenkassen anhand der Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds nach § 266 SGB V, die durch Ausgleichszahlungen im Sinne des § 242b SGB V zu korrigieren sind, sowie Einnahmen aus Zusatzbeiträgen nach § 242 SGB V. Bei den Krankenkassen sind deshalb die Einnahmen aus Zuweisungen und Zusatzbeiträgen als Umsätze für die Umsatz- schwellen der Fusionskontrolle heranzuziehen." Die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds für die Krankenkassen stellen keine Umsätze dar, sondern sind finanzielle Zuweisungen zur Deckung der standardisierten Leistungsausgaben je Versichertem. Sie sind daher von der Zahl der Versicherten und insbesondere auch deren Alter, Geschlecht und Risiko abhängig (vgl. Komm. zu § 266). Die Zuweisungen lassen sich daher auch nicht als den Umsatzerlösen eines Wirtschaftsunternehmens entsprechende Werte ansehen, so dass es aus rechtsstaatlichen Grundsätzen einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedarf, wenn für die Zusammenschlusskontrolle an die Stelle der Umsatzerlöse die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds treten sollen.
Rz. 19
§ 36 Abs. 1 GWB beinhaltet die Ermächtigung und die Gründe, aus denen ein Zusammenschluss und damit auch eine Vereinigung von Krankenkasse untersagt werden kann, nämlich dann, wenn durch die Vereinigung der wirksame Wettbewerb erheblich behindert würde und insbesondere wenn zu erwarten ist, dass dadurch eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt würde. Durch die Geltung von § 36 GWB werden auch andere Vorschriften des GWB in Bezug genommen, die sich auf den Wettbewerb beziehen (z. B. die §§ 18 bis 21 GWB). Bedeutung kommt dabei insbesondere § 18 Abs. 4 GWB zu, in dem die Vermutung aufgestellt wird, dass ein Unternehmen marktbeherrschend ist, wenn es einen Marktanteil von mindestens 40 % hat. Während sich bei Wirtschaftsunternehmen, bezogen auf das Anbieten von Produkten, Leistungen etc., ein Markt mit Anbietern und Nachfragern ermitteln lässt, ist dies bei Krankenkassen nicht der Fall. Ein Markt für Krankenversicherungsleistungen (vgl. dazu Soltèsz/Werner, KrV 2013 S. 185, 189, und Bataille/Weck, KrV 2015 S. 45, 47) auf dem die Krankenkassen tätig sind, besteht nicht, denn die Krankenkassen dürfen und müssen die Personen versichern, die pflichtversichert oder freiwillig versichert sind (vgl. § 175 Abs. 1); einschließlich der aus dieser Mitgliedschaft abgeleiteten Familienversicherung. Ein Zugang anderer Personen zu einer Krankenkasse ist diesen nur unter den engen gesetzlichen Voraussetzungen von Beitrittsrechten (vgl. § 9) möglich. Ein Wettbewerb findet angebotsseitig daher allenfalls zwischen den Krankenkassen der gesetzlichen Krankenversicherung und privaten Versicherungsunternehmen statt, soweit es sich nicht um pflichtversicherte Personen handelt. Dieser Wettbewerb ist jedoch im Zusammenhang mit der Vereinigung von Krankenkassen nicht relevant, weil sich dadurch keine neue oder andere Wettbewerbssituation zwischen gesetzlicher und privater Krankeversicherung ergibt. In der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/9852 S. 37) ist zu dieser Thematik ausgeführt: "Wie im Rahmen der fusionskontrollrechtlichen Prüfung üblich, ist bei der Frage der Marktbeherrschung nicht allein der durch die Vereinigung erzielte Marktanteil maßgeblich. Entscheidend sei die Marktstellung unter Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände, je nach relevantem Markt etwa gegenüber den Versicherten oder den Leistungserbringern. So sei zum Beispiel das Verhältnis von Krankenkassen und Leistungserbringern nach wie vor stark von so genannten Kollektivverträgen also Verträgen zwischen mehreren Beteiligten oder ihren Verbänden auf beiden Seiten geprägt, die ein Kräftegleichgewicht in der Regel sicherstellten. Dies könne sich jedoch in Zukunft ändern, wenn Krankenkassen vermehrt die bereits bestehenden Möglichkeiten des Abschlusses von Selektivverträgen nutzten."
Rz. 20
Was im Zusammenhang mit der Zusammenschlusskontrolle unter der "Marktstellung unter Gesamtwürdigung aller relevanten Umst...