Rz. 5
Der Anspruch auf Einholung einer Zweitmeinung setzt grundsätzlich voraus, dass die Indikation zu einem planbaren Eingriff gestellt wird. Damit scheiden von vornherein Fälle der Akutbehandlung sowie auch der (rein) medikamentösen Behandlung aus. Auch für eine zahnärztliche Behandlung besteht der Anspruch nicht, wie sich aus § 87 Abs. 2a Satz 9, der sich nur auf ärztliche Leistungen bezieht, ableiten lässt (Wenner, SozSich 2015, 333, 334).
Rz. 6
Der Anspruch auf Einholung einer Zweitmeinung setzt ferner voraus, dass es sich um einen planbaren Eingriff handelt, bei dem insbesondere im Hinblick auf die zahlenmäßige Entwicklung seiner Durchführung die Gefahr einer Indikationsausweitung nicht auszuschließen ist (sog. mengenanfällige Eingriffe). Was darunter konkret zu verstehen ist, wird der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Richtlinie zu Qualitätssicherung zu präzisieren haben. Die gesetzliche Regelung ist auslegungsbedürftig. Der Gesetzgeber definiert Mengenanfälligkeit gemäß Abs. 1 Satz 1 sehr weitgehend als gegeben bei einem Eingriff, bei dem insbesondere unter Berücksichtigung der zahlenmäßigen Entwicklung seiner Durchführung das Risiko einer zu weiten Indikationsstellung und damit einer nicht durchgängig medizinisch gebotenen Vornahme des Eingriffs nicht auszuschließen ist. Erfasst werden sowohl Eingriffe, die in der ambulanten Versorgung durchgeführt werden, als auch solche, die in der stationären Versorgung oder in beiden Versorgungsbereichen durchgeführt werden. Hinsichtlich der Konkretisierung des Begriffs des mengenanfälligen Eingriffs dürften nicht nur Krankenhausbehandlungen aus Anlass der Durchführung von Hüftgelenks- und Bypassoperationen relevant sein, die in einer Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) aus dem Jahre 2013 (OECD Health at a Glance 2013) als sog. mengenanfällige Eingriffe definiert werden und bei denen Deutschland wohl eine Führungsposition zukommt. Allein die statistisch erfasste Menge der Indikationsstellungen und die Berücksichtigung der demografischen Entwicklung sagen wenig darüber aus, ob der Eingriff medizinisch geboten ist oder nicht. Die Formulierung "… die Gefahr einer Indikationsausweitung nicht auszuschließen ist" senkt allerdings die Schwelle deutlich herab, die überschritten sein muss, um den Begriff der Mengenanfälligkeit zu erfüllen. Die gesetzliche Formulierung verdeutlicht, dass bereits das Risiko der Indikationsausweitung ausreichend ist, um den planbaren Eingriff zum Gegenstand der Richtlinie zu machen. Gleichwohl muss sich der Gemeinsame Bundesausschuss bei seiner Entscheidung auf Fakten stützen und Kriterien erarbeiten, die es mit hinreichender Wahrscheinlichkeit rechtfertigen, bereits aus der Menge der Eingriffe auf berechtigte Zweifel an der medizinisch gebotenen Notwendigkeit zu schließen.