Rz. 9
Mit der Einordnung in das Erste Kapitel wird deutlich, dass es sich, wie bei § 2a (vgl. Komm. dort), um eine Regelung mit Einweisungscharakter (Programmsatz) handelt, der allenfalls bei der Rechtsauslegung als Auslegungshilfe dienen kann. Die Vorschrift normiert jedoch weder eigene Rechte noch vermag sie die vorhandenen Ansprüche aus der Versicherung nach dem SGB V auszuweiten (so auch Bittner, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, § 2b Rz. 13, Stand: 11.12.2023). Dies gilt grundsätzlich auch für die Leistungen der Prävention nach dem Satzungsrecht der Krankenkassen. Soweit schon die gesetzlichen Regelungen Leistungen nur an und für Frauen vorsehen (vgl. §§ 24b ff.), bleibt für die Anwendung des § 2b selbst als Auslegungshilfe kein Raum.
Rz. 10
§ 2b fordert nicht unmittelbar die Berücksichtigung der geschlechts- und/oder altersspezifischen Besonderheiten, sondern gebietet lediglich, dass diesen Rechnung zu tragen ist. Die Vorschrift lässt daher gerade auch die Differenzierung von Leistungen dem Grunde und der Art nach unter Berücksichtigung des Geschlechts oder des Alters zu. Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG verbietet an sich die Benachteiligung oder Bevorzugung wegen des Geschlechtes. Die Differenzierung bei der Leistungsgewährung aufgrund des Geschlechts ist (und muss) durch sachliche Gründe gerechtfertigt sein und verstößt dann nicht gegen das GG (vgl. BSG, Urteil v. 22.4.2015, B 3 KR 3/14 R).
Rz. 11
Wie die Berücksichtigung von geschlechtsspezifischen Besonderheiten, dürfte sich auch die Berücksichtigung wegen des Alters in erster Linie an den Spitzenverband Bund der Krankenkassen richten, der nach § 20 Abs. 2 bei der Festlegung der einheitlichen Handlungsfelder und Kriterien für die Leistungen nach § 20 Abs. 1 diese Besonderheiten zu berücksichtigen hat. Die Krankenkassen haben diese Festlegungen für die Konkretisierung der Leistungsansprüche in Satzungsrecht umzusetzen (vgl. § 20 Abs. 1 Satz 3). Insoweit richtet sich das Gebot des "Rechnung tragens" auch an die Krankenkassen; sowohl bei der Ausgestaltung der Satzung als auch bei der darauf beruhenden Leistungsgewährung. Bedeutung könnte § 2b daher bei der Frage erlangen, ob die Festlegungen des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen nach § 20 Abs. 2 und/oder die darauf beruhende Satzungsregelung den geschlechts- und/oder altersspezifischen Besonderheiten hinreichend Rechnung trägt oder nicht (§ 20 Abs. 1 Satz 2). Dies käme z. B. bei einer Differenzierung von Leistungen (insbesondere der Prävention) nach dem Geschlecht oder des Alters in Betracht.
Rz. 12
Auch für Richtlinien und Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses (§§ 135 ff.) könnte die Vorschrift als Auslegungsmaßstab Bedeutung erlangen, wenn und soweit darin geschlechtsbezogene Differenzierungen vorgesehen sind. Hier dürfte allerdings eher Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG einschlägig sein, wenn diese Differenzierung nicht sachlich begründet wäre (verfassungskonforme Auslegung).
Rz. 13
Ob die Vorschrift darüber hinaus im Einzelfall Bedeutung im Zusammenhang mit der Rechtsauslegung und/oder hinsichtlich des Leistungsumfangs bei der Frage der Erforderlichkeit oder Notwendigkeit einer Leistung nach § 11 i. V. m. §§ 27 ff. erlangen wird, kann bezweifelt werden. Bereits die Frage der erforderlichen und notwendigen Krankenbehandlung kann schon nur jeweils geschlechts- oder altersbezogen je nach der Art der Erkrankung und der daraus resultierenden notwendigen Behandlung oder Leistung beurteilt werden. Ein Rückgriff auf § 2b vermag insoweit keine Leistungsausweitung zu begründen (z. B. Perücke generell auch für Männer, vgl. BSG, Urteil v. 22.4.2015, B 3 KR 3/14 R).