0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift wurde durch Art. 1 Nr. 31 des Gesetzes zum Schutz elektronischer Patientendaten in der Telematikinfrastruktur (Patientendaten-Schutz-Gesetz – PDSG) v. 14.10.2020 (BGBl. I S. 2115) mit Wirkung zum 20.10.2020 in das SGB V eingefügt. Das PDSG hat mit den neuen Kapiteln 11 und 12 die bisherigen Regelungen zur Telematikinfrastruktur übernommen und umfassend neu strukturiert. Ferner werden sie weiterentwickelt und im Hinblick auf die datenschutzrechtlichen Vorgaben differenziert ausgestaltet. § 306 übernimmt zum einen in Teilen das bisher in § 291a Abs. 7 Satz 1 bis 3 enthaltene geltende Recht und enthält zum anderen weitere Neuregelungen.
Rz. 1a
Art. 1 Nr. 29 des Gesetzes zur digitalen Modernisierung von Versorgung und Pflege (Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungs-Gesetz – DVPMG) v. 3.6.2021 (BGBl. I S. 1309) hat mit Wirkung zum 9.6.2021 Abs. 2 Nr. 1 neu gefasst. Die Verarbeitungsvorgänge in der dezentralen Infrastruktur werden konkretisiert.
Rz. 1b
Art. 1 Nr. 25 des Gesetzes zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens (Digital-Gesetz – DigiG) v. 22.3.2024 (BGBl. I Nr. 101) hat mit Wirkung zum 26.3.2024 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. a, Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 4 Satz 1 geändert. Es handelt sich um redaktionelle Anpassungen und Folgeänderung aus § 327.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Telematikinfrastruktur ist die interoperable und kompatible Informations-, Kommunikations- und Sicherheitsinfrastruktur, die der Vernetzung von Leistungserbringern, Kostenträgern, Versicherten und weiteren Akteuren des Gesundheitswesens sowie der Rehabilitation und der Pflege dient (Abs. 1; Datenautobahn des Gesundheitswesens). Abs. 2 gibt die Gesamtarchitektur der Telematikinfrastruktur technikneutral gesetzlich vor, indem deren einzelne Bestandteile geregelt werden. Abs. 3 regelt die Anforderungen an die Datensicherheit. Abs. 4 enthält die Legaldefinition für die Anwendungen, Komponenten und Dienste der Telematikinfrastruktur.
2 Rechtspraxis
2.1 Zuständigkeit und Definition (Abs. 1)
Rz. 3
Zuständig, die Telematikinfrastruktur zu schaffen, sind
- die Bundesrepublik Deutschland (BRD), vertreten durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG),
- der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband),
- die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KVB),
- die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZVB),
- die Bundesärztekammer,
- die Bundeszahnärztekammer,
- die Deutsche Krankenhausgesellschaft sowie
- die für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildete maßgebliche Spitzenorganisation der Apotheker auf Bundesebene (Deutscher Apothekerverband – DAV)
(Satz 1). Die BRD ist durch das Terminservice- und Versorgungsgesetz mit Wirkung zum 11.5.2019 in den Kreis der Verantwortlichen (§ 291a Abs. 7 Satz 1 in der bis zum 19.10.2020 geltenden Fassung) einbezogen worden. Zuvor waren lediglich der GKV-Spitzenverband sowie die in der Vorschrift genannten Spitzenorganisationen der Leistungserbringer für die Schaffung der Telematikinfrastruktur verantwortlich. Die Digitalisierung im Gesundheitswesen, insbesondere die Einführung medizinischer Anwendungen der elektronischen Gesundheitskarte und der Telematikinfrastruktur, soll zügig und konsequent umgesetzt werden (BT-Drs. 19/8351 S. 213). Hierzu sollen Entscheidungsprozesse in der Gesellschaft für Telematik (gematik) effektiver als bisher gestaltet werden. Um dies zu erreichen, soll das BMG den Entscheidungsprozess stärker mitgestalten. Daher wird der Eintritt der BRD, vertreten durch das BMG, als Mehrheitsgesellschafter in die gematik festgeschrieben.
Rz. 4
Die Telematikinfrastruktur ist als die interoperable und kompatible Informations-, Kommunikations- und Sicherheitsinfrastruktur definiert, die der Vernetzung von Leistungserbringern, Kostenträgern, Versicherten und weiteren Akteuren des Gesundheitswesens sowie der Rehabilitation und der Pflege dient (Satz 2). Der Gesetzgeber verwendet den Begriff "Interoperabilität" in einem in der Informationstechnologie im Gesundheitswesen normativ vorgeprägten Sinn (Hecheltjen, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 306 Rz. 15 m. w. N.). Daher bietet sich die Definition gemäß Art. 2 Nr. 26 VO (EU) 2017/45 an. Danach bezeichnet "Interoperabilität" die Fähigkeit von zwei oder mehr Produkten — einschließlich Software — desselben Herstellers oder verschiedener Hersteller,
a) Informationen auszutauschen und die ausgetauschten Informationen für die korrekte Ausführung einer konkreten Funktion ohne Änderung des Inhalts der Daten zu nutzen und/oder
b) miteinander zu kommunizieren und/oder
c) bestimmungsgemäß zusammenzuarbeiten.
Rz. 5
Zur Telematikinfrastruktur gehören die Infrastruktur für die Nutzung der elektronischen Gesundheitskarte und der Anwendungen der Telematikinfrastruktur (Satz 2 Nr. 1). Sie muss
- für die Nutzung weiterer Dienste und Anwendungen der Telematikinfrastruktur ohne Nutzung der elektronischen Gesundheitskarte nach § 327 (Satz 2 Nr. 2 Buchst. a) und
- für die Verwendung für Zwecke der Gesundheits- und pflegerischen Forschung (Satz 2 Nr. 2 Buchst. b)
geeignet sein.
Rz. 6
Die Telematikinf...