0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Die Vorschrift wurde durch Art. 1 Nr. 31 des Gesetzes zum Schutz elektronischer Patientendaten in der Telematikinfrastruktur (Patientendaten-Schutz-Gesetz – PDSG) v. 14.10.2020 (BGBl. I S. 2115) mit Wirkung zum 20.10.2020 in das SGB V eingefügt. Das PDSG hat mit den neuen Kapiteln 11 und 12 die bisherigen Regelungen zur Telematikinfrastruktur übernommen und umfassend neu strukturiert. Ferner werden sie weiterentwickelt und im Hinblick auf die datenschutzrechtlichen Vorgaben differenziert ausgestaltet. Die §§ 319 bis 322 übernehmen das bisher in § 291c enthaltene geltende Recht. § 322 regelt die Rechtsaufsicht des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) über die Schlichtungsstelle der Gesellschaft für Telematik (gematik).

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Entscheidungen der Schlichtungsstelle sind dem BMG zur Prüfung vorzulegen. Das Prüfverfahren ist ein förmliches Verwaltungsverfahren, in dem dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) vor seinem Abschluss die Gelegenheit gegeben werden muss, eine Stellungnahme abzugeben. Das BMG beschränkt seine Prüfung darauf festzustellen, ob die Schlichtungsstelle bei ihrer Entscheidung das Gesetz und sonstiges Recht beachtet hat. Zweckmäßigkeitserwägungen sind im Rahmen der Rechtsaufsicht nicht zulässig. Das BMG hat ein Beanstandungsrecht sowie das Recht zur Ersatzvornahme und wird dabei von der gematik unterstützt. Die wirksame Entscheidung der Schlichtungsstelle oder die Ersatzvornahme durch das BMG sind für Leistungsträger (Krankenkassen) und Leistungserbringer verbindlich.

2 Rechtspraxis

2.1 Prüfung durch das BMG (Abs. 1)

 

Rz. 3

Eine Entscheidung der Schlichtungsstelle ist dem BMG zur Prüfung vorzulegen. Unbeanstandete Entscheidungen sind für die Gesellschafter der gematik, Leistungserbringer sowie Krankenkassen und ihre Verbände verbindlich. Das BMG prüft, ob die Entscheidung der Schlichtungsstelle dem geltenden Gesetz und sonstigem Recht entspricht, ohne Zweckmäßigkeitserwägungen anzustellen (Rechtsaufsicht). Prüfungsmaßstab ist nach dem Grundsatz der maßvollen Ausübung der Rechtsaufsicht, ob sich das Handeln der Schlichtungsstelle im Bereich des rechtlich noch Vertretbaren bewegt (Hecheltjen, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 322 Rz. 16 m. w. N.). Die Entscheidung der Schlichtungsstelle wird erst wirksam, wenn der Beschluss nicht innerhalb eines Monats durch das BMG beanstandet wird. Die Beschlussvorlage ist somit Wirksamkeitsvoraussetzung für die Entscheidung der Schlichtungsstelle.

2.2 Stellungnahme des BfDI (Abs. 2)

 

Rz. 4

Das Prüfverfahren des BMG ist ein förmliches Verwaltungsverfahren, vor dessen Abschluss dem BfDI die Gelegenheit einzuräumen ist, eine Stellungnahme abzugeben (Satz 1). Eine Entscheidung des BMG im Prüfverfahren ohne eingeräumte Gelegenheit zu Stellungnahme ist rechtswidrig. Für die Stellungnahme ist eine angemessene Frist zu setzen (Satz 2). Deren Dauer richtet sich nach der Komplexität des zu entscheidenden Sachverhalt. Wird eine Stellungnahme nicht oder nicht fristgerecht abgegeben, kann das BMG rechtmäßig ohne Stellungnahme entscheiden.

2.3 Entscheidung des BMG (Abs. 3)

 

Rz. 5

Das BMG kann die Entscheidung, soweit sie gegen Gesetz oder sonstiges Recht verstößt (Rechtsaufsicht), innerhalb eines Monats beanstanden (Satz 1). Die Frist beginnt, wenn die Entscheidung der Schlichtungsstelle dem BMG vorgelegt wird (Eingang der Entscheidungsvorlage beim BMG; die Fristberechnung ergibt sich aus § 20 Abs. 1 SGB X i. V. m. §§ 187 ff. BGB). Läuft die Frist ohne Beanstandung ab, ist die Entscheidung der Schlichtungsstelle wirksam und bindend. Entschließt sich das BMG fristgerecht zur Beanstandung, erlässt das BMG darüber einen gebundenen Verwaltungsakt (§ 31 SGB X). Die Entscheidung muss mit einer Nebenbestimmung in Form der Befristung (§ 32 SGB X) versehen werden. Vorher ist eine Anhörung (§ 24 SGB X) der Schlichtungsstelle durchzuführen. Die Beanstandungen sind innerhalb der gesetzten Frist zu beseitigen.

 

Rz. 6

Werden die Beanstandungen nicht fristgerecht behoben, kann das BMG anstelle der Schlichtungsstelle entscheiden (Ersatzvornahme, Satz 2). Die Ersatzvornahme ist ebenfalls ein Verwaltungsakt und verbindlich.

2.4 Unterstützung durch die gematik (Abs. 4)

 

Rz. 7

Die gematik hat dem BMG zur Vorbereitung seiner Entscheidung unverzüglich nach dessen Weisungen zuzuarbeiten. Die Unterstützung durch die gematik hat ohne schuldhaftes Zögern zu erfolgen und wird im Wesentlichen darin bestehen, die für die Entscheidung maßgeblichen Unterlagen beizubringen.

2.5 Verbindlichkeit (Abs. 5)

 

Rz. 8

Die Entscheidungen der Schlichtungsstelle (ohne Beanstandung) oder die Ersatzvornahme durch das BMG sind für alle Gesellschafter der gematik, für die Leistungserbringer und Krankenkassen sowie für ihre Verbände verbindlich. Verbindliche Entscheidungen der Schlichtungsstelle oder des BMG können nur durch eine alternative Entscheidung der Gesellschafter der gematik in gleicher Sache ersetzt werden. Auch wenn die Entscheidung der Schlichtungsstelle nicht gegen Gesetz oder sonstiges Recht verstößt und vom BMG daher nicht beanstandet werden kann, kann das BMG als Vertreter der Mehrheitsgesellschafterin BRD kraft Mehrheitsbeschlusses in der Gesellsch...

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