0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
§ 43b wurde durch Art. 11 des Gesetzes zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz – GKV-VSG) v. 16.7.2015 (BGBl. I S. 1211) mit Wirkung zum 23.7.2015 neu eingeführt. Der bisherige § 43b zum Zahlungsweg findet sich nunmehr in § 43c (Art. 12 des Gesetzes). Der Gesetzgeber trägt damit der Erkenntnis Rechnung, dass die medizinische Versorgung von Menschen mit Behinderungen weiter verbessert werden muss. Für versicherte Erwachsene sieht die Vorschrift im Hinblick auf die neue gesetzliche Regelung in § 119c zur Ermächtigung von medizinischen Behandlungszentren zur ambulanten Behandlung von Erwachsenen mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen einen flankierenden Leistungsanspruch vor.
1 Allgemeines
Rz. 2
Mit § 43a hat der Gesetzgeber schon vor Jahren eine Regelung geschaffen, die die Frühdiagnostik von Krankheiten bei Kindern mithilfe sozialpädiatrischer Leistungen sicherstellen will. Versicherte Kinder sollen unter ärztlicher Verantwortung erbrachte nichtärztliche sozialpädiatrische Leistungen, die der Diagnostik und der Aufstellung eines Behandlungsplans dienen, in Anspruch nehmen können (BT-Drs. 12/1154 S. 6). Zu diesem Zweck können gemäß § 119 sozialpädiatrische Zentren, die fachlich-medizinisch unter ständiger ärztlicher Leitung stehen und die Gewähr für eine leistungsfähige und wirtschaftliche sozialpädiatrische Behandlung bieten, vom Zulassungsausschuss zur ambulanten sozialpädiatrische Behandlung von Kindern ermächtigt werden. Diesen Weg eröffnet der Gesetzgeber nunmehr speziell zur medizinischen Versorgung versicherter Erwachsener mit Behinderungen korrespondierend mit § 119c neben den unverändert bestehenden diagnostischen ärztlichen Maßnahmen (§ 26) und sonstigen Leistungen zur Prävention (§ 20), Vorsorge (§§ 23 ff.) und Rehabilitation (§§ 40, 41, 43).
2 Rechtspraxis
2.1 Anspruchsvoraussetzungen und -inhalt
Rz. 3
Der Regelungsgehalt der Norm lehnt sich im wesentlichen an die für Kinder geltende Regelung in § 43a an. Anspruchsberechtigt für die ambulant zu erbringende Leistung sind nur versicherte Erwachsene. Zu dieser Klarstellung sah sich der 14. Ausschuss veranlasst, um die Norm ausschließlich für Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung zu öffnen (BT-Drs. 18/5123 S. 120). Erwachsen sind Menschen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben (vgl. § 26 Abs. 1 Satz 1).
Rz. 4
Nach der Legaldefinition in § 2 SGB IX sind Menschen unter anderem behindert, wenn ihre geistigen Fähigkeiten mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Unter dem Begriff geistige Fähigkeiten werden solche im kognitiven, psychomotorischen und intellektuellen Bereich verstanden. Ergänzend kann auf das Betreuungsrecht (vgl. § 1896 BGB) zurückgegriffen werden, in dem unter einer geistigen Behinderung ein angeborener oder frühzeitig erworbener Intelligenzdefekt verschiedener Schweregrade verstanden wird (BT-Drs. 11/4528 S. 116).
Von einer schweren Mehrfachbehinderung wird auszugehen sein, wenn mehrere Behinderungen unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Auswirkungen eine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigen.
Rz. 5
Versicherte Erwachsene mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen haben einen Anspruch auf ambulante nichtärztliche Leistungen, insbesondere auf psychologische, therapeutische und psychosoziale Leistungen. Da die gesetzliche Aufzählung nicht abschließend ist, werden ebenso wie bei § 43a alle im Rahmen der ärztlichen Behandlung von dem behandelnden Arzt angeordnete oder von ihm zu verantwortende Hilfeleistungen anderer Personen, wie dies § 28 Abs. 1 Satz 2 vorsieht, erfasst. Neben dem Arzt kommen hierbei insbesondere Psychologen, Psychotherapeuten, Ergotherapeuten, Logopäden und Krankengymnasten in Betracht.
Rz. 6
Die nichtärztlichen Leistungen müssen erforderlich sein, um eine Krankheit (§ 27) zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu erkennen und einen Behandlungsplan aufzustellen. Maßstab der Erforderlichkeit ist die Art, Schwere und Dauer der drohenden oder bereits vorliegenden Erkrankung. Dabei ist zu beachten, dass medizinische Behandlungszentren nach § 119c Abs. 2 auf diejenigen Erwachsenen auszurichten sind, die wegen der Art, Schwere oder Komplexität ihrer Erkrankung auf die ambulante Behandlung in einer derartigen Einrichtung angewiesen sind, was wiederum für das Kriterium der Erforderlichkeit Anhaltspunkte gibt.
Rz. 7
Der Anspruch aus § 43b setzt ferner grundsätzlich voraus, dass die Leistung unter ärztlicher Verantwortung durch ein medizinisches Behandlungszentrum nach § 119c erbracht wird. Es muss sichergestellt sein, dass die medizinischen Behandlungszentren die von erwachsenen Menschen mit Behinderungen benötigten Leistungen "aus einem Guss" und damit insbesondere interdisziplinär erbringen. Dies schließt auch die nichtärztlichen Leistungen und folglich auch Leistungen, die durch Pflegefachkräfte oder Heilmittelerbringer erbracht werden, ...