Rz. 25
Der Versicherte hat seine Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse innerhalb von einer Woche zu melden, wenn sein Arzt bzw. die von ihm aufgesuchte Einrichtung nicht am elektronischen Mitteilungsverfahren nach § 295 teilnimmt (vgl. auch Rz. 29). § 49 Abs. 1 Nr. 5 hat deshalb Wirkung
- bei allen bis zum 31.12.2020 ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen
und darüber hinaus
§ 49 Abs. 1 Nr. 5 will verhindern, dass ein Versicherter seiner Krankenkasse das Vorliegen seiner Arbeitsunfähigkeit zunächst verschweigt. Damit keine negativen Folgen für den Versicherten eintreten, lässt der Gesetzgeber dem Versicherten eine Woche (7 Tage) Zeit, der Krankenkasse die Arbeitsunfähigkeit anzuzeigen; andernfalls ruht der Anspruch auf Krankengeld bis zu dem Tag, an die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse gemeldet wird.
Nach dem Urteil des SG Stralsund v. 28.2.2020 (S 3 KR 183/18), welches sich auf die ständige Rechtsprechung des BSG bezieht (u. a. Urteile v. 25.10.2018, B 3 KR 23/17 R, v. 8.8.2019, B 3 KR 6/18 R, v. 26.9.2019, B 3 KR 1/19 R, v. 8.11.2005, B 1 KR 30/04 R), ist bei der Anwendung des § 49 Abs. 1 Nr. 5, erster Halbsatz, Folgendes zu beachten:
- Die Arbeitsunfähigkeit ist der Krankenkasse vor jeder erneuten Inanspruchnahme des Krankengeldes anzuzeigen, – und zwar auch dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit seit Beginn ununterbrochen bestanden hat und wegen der Befristung der bisherigen ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsfeststellung über die Weitergewährung von Krankengeld neu zu befinden ist.
- Die Meldung der Arbeitsunfähigkeit ist eine Tatsachenmitteilung, die telefonisch, schriftlich, mündlich oder auch in elektronischer Form erfolgen kann. Sie ist in entsprechender Anwendung von § 130 Abs. 1 und 3 BGB erst dann erfolgt, wenn sie der Krankenkasse zugegangen ist.
- Der rechtzeitige Zugang ist ein anspruchsbegründendes Tatbestandsmerkmal, das der Versicherte im Sinne des Vollbeweises nachweisen muss. Dieses gilt auch bei einer vom Versicherten rechtzeitig zur Post aufgegebenen, aber auf dem Postweg verloren gegangenen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Hier kann der Eintritt der Ruhenswirkung des Krankengeldes selbst dann nicht verhindert werden, wenn die Meldung unverzüglich nachgeholt wird; das bedeutet, dass der Versicherte grundsätzlich das Risiko der nicht rechtzeitigen Übermittlung der ihm ausgehändigten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an die Krankenkasse trägt – und zwar auch dann, wenn diese Mitteilung auf dem Postweg erfolgte.
- Das nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 regelmäßige Ruhen des Krankengeldanspruchs knüpft grundsätzlich an den negativen Tatbestand ("solange ... nicht gemeldet wird") an und bewirkt mit der im nachfolgenden Halbsatz 2 geregelten "Heilungsmöglichkeit" mittelbar eine Meldefrist von einer Woche (Noftz, in: Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch Gesamtkommentar, SGB V, Stand August 2015, § 49 Rz. 63).
- Aus dem Zusammenspiel der Regelungen in §§ 44 Abs. 1, 46 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2, § 49 Abs. 1 Nr. 5 folgt, dass das in Halbsatz 2 des § 49 Abs. 1 Nr. 5 verwendete Tatbestandsmerkmal "Beginn der Arbeitsunfähigkeit" entgegen dem Wortlaut so zu verstehen ist, dass hiermit tatsächlich der Tag der ärztlichen Feststellung gemeint ist; d. h., dass zur Berechnung der Meldefrist maßgeblich auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit abzustellen ist.
- Die Meldefrist i. S. d. § 49 Abs. 1 Nr. 5 beginnt unter Heranziehung der Berechnungsvorschriften des § 26 Abs. 1 und 3 SGB X i. V. m. §§ 187 Abs. 1 und 188 Abs. 2 BGB mit dem Tage, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt, und endet eine Woche später mit dem Ablauf des Tages, der dem Tag entspricht, an dem die ärztliche Feststellung erfolgt ist – bzw. am nächsten Werktag bei Fristende auf einem Samstag, Sonn- oder Feiertag.
Rz. 26
Aufgrund der Rechtsprechung des BSG v. 16.12.2014 (B 1 KR 35/14 R) werden bei den unter Rz. 25 aufgeführten strengen Grenzen Ausnahmen von den genannten Grundsätzen anerkannt, wenn
die ärztliche Feststellung oder die Meldung der Arbeitsunfähigkeit durch Umstände verhindert oder verzögert worden sind, die dem Verantwortungsbereich der Krankenkassen und nicht dem des Versicherten zuzurechnen sind.
So kann sich die Krankenkasse beispielsweise nicht auf den verspäteten Zugang der dem Versicherten obliegenden Meldung der Arbeitsunfähigkeit berufen, wenn die Fristüberschreitung der Meldung auf Umständen beruhte, die in den Verantwortungsbereich der Krankenkasse fallen und der Versicherte weder wusste noch wissen musste, dass die Krankenkasse von der Arbeitsunfähigkeit keine Kenntnis erlangt hatte. Trotzdem hat der Versicherte zu beweisen, dass der Grund für die fehlende Mitteilung nicht außerhalb des Verantwortungsbereichs der Krankenkasse ...