Rz. 138
Der Anspruch auf Mutterschaftsgeld beginnt grundsätzlich 6 Wochen vor dem Tag der Entbindung; der Entbindungstag wird als Ereignistag (§ 26 Abs. 1 SGB X i. V. m. § 187 Abs. 1 BGB) nicht in die Frist eingerechnet.
Der Beginn der 6 Wochen für den Anspruch auf Mutterschaftsgeld berechnet sich für die Zeit vor der Entbindung grundsätzlich von dem Tag der tatsächlichen Entbindung aus; wenn allerdings
- die Frau der Krankenkasse eine Bescheinigung eines Arztes über einen voraussichtlichen Entbindungstag vorlegt – dieses kann auch erst nach der Geburt geschehen (vgl. Rz. 141) –, wird für die Berechnung der in dieser Bescheinigung aufgeführte voraussichtliche Entbindungstag herangezogen (§ 24i Abs. 3 Satz 4; vgl. GR v. 06.12.2017-II i.d.F. v. 23.03.2022, Abschn. 9.4.1 Abs. 2; vgl. Niederschrift der Fachkonferenz Leistungs- und Beziehungsrecht des GKV-Spitzenverbandes am 20./21.3.2013, TOP 5). Hierzu weiter Rz. 139 ff.
- die Frau keine entsprechende Bescheinigung über einen voraussichtlichen Entbindungstag vorweisen kann und – ggf. auch rückwirkend betrachtet – in den letzten 42 Tagen vor der tatsächlichen Entbindung noch Urlaub hatte oder Arbeitsentgelt, Arbeitslosengeld, Entgeltfortzahlung oder Krankengeld bezogen hat, verschiebt sich der Beginn des Anspruchs auf Mutterschaftsgeld unter bestimmten Voraussetzungen. Einzelheiten hierzu in der Komm. zu Rz. 153 ff.
Rz. 139
Der Arbeitgeber und die Krankenkasse haben nicht nur Bescheinigungen über den mutmaßlichen Entbindungstag anzuerkennen, die vom Arzt ausgestellt wurden, sondern auch die von Hebammen/Entbindungspflegern (vgl. auch GR v. 06.12.2017-II i.d.F. v. 23.03.2022, Abschn. 9.4.1). Die Berechtigung der Hebamme bzw. des Entbindungspflegers zur Ausstellung einer entsprechenden Bescheinigung über den mutmaßlichen Entbindungstag ergibt sich aus § 15 Abs. 2 MuSchG. Ob diese Bescheinigung bei der Krankenkasse vor oder erst nach der Entbindung eingereicht wird, ist unbedeutend; entscheidend ist aber, dass die Bescheinigung über den voraussichtlichen Niederkunftstermin vom Arzt oder der Hebamme bzw. dem Entbindungspfleger vor der Entbindung ausgestellt wurde.
Ob die Bescheinigung von einem Vertragsarzt der Krankenkasse oder von einem sonstigen Arzt (z. B. Privatarzt) ausgestellt wird und ob die Frau während ihrer Schwangerschaft den Arzt wechselte, ist unbedeutend.
Die Bescheinigung ist nicht an eine bestimmte Form gebunden. Ein formloses Schreiben, auf dem der Arzt bzw. die Hebamme/der Entbindungspfleger den mutmaßlichen Entbindungstag mit Unterschrift und dem Datum der Feststellung bescheinigt, reicht aus. Allerdings ist es notwendig, dass der Arzt bzw. die Hebamme oder der Entbindungspfleger vorher aufgrund einer ärztlichen Untersuchung das Bestehen einer Schwangerschaft festgestellt hat.
In der Praxis wird zur Bescheinigung des voraussichtlichen Entbindungstages seit dem 1.1.2014 meist der Vordruck Muster 3 "Zeugnis über den mutmaßlichen Tag der Entbindung" verwandt. Dieser Vordruck basiert auf der "Vereinbarung über Vordrucke für die vertragsärztliche Versorgung" (veröffentlicht auf der Homepage der Kassenärztlichen Bundesvereinigung unter http://www.kbv.de). Hierbei handelt es sich um einen durchschreibfähigen Vordruck für die Krankenkasse (erste Seite) und für die Versicherte (1. Durchschrift ohne die Rückseite des Vordrucks). Falls die das Mutterschaftsgeld beanspruchende Frau eine Arbeitnehmerin ist, gibt sie die "Durchschrift" – diese gilt als Bescheinigung zum Nachweis des voraussichtlichen Entbindungstermins i. S. d. § 3 Abs. 1 Satz 3 MuSchG – an den Arbeitgeber weiter, damit dieser den Beginn der Schutzfrist berechnen kann.
Abzustellen ist immer auf das vor Beginn der Schutzfrist ausgestellte aktuellste Zeugnis.
Dem Arbeitgeber und der Krankenkasse werden einmal in der 12. Schwangerschaftswoche (vom Arzt ausgefüllt) und einmal kurz vor Beginn der Schutzfrist (von der Hebamme ausgefüllt) Bescheinigungen über den voraussichtlichen Entbindungstag vorgelegt. Die bescheinigten Niederkunftstermine weichen 3 Tage voneinander ab.
Folge:
Es gilt jeweils die aktuellste vorliegende Bescheinigung.
Rz. 140
Stellt die Krankenkasse fest, dass ihr und dem Arbeitgeber unterschiedliche Bescheinigungen mit unterschiedlichen Daten für die zu erwartende Entbindung vorliegen (z. B. beim Vergleich des errechneten ersten Mutterschaftsgeldtages mit dem vom Arbeitgeber auf der Verdienstbescheinigung vermerkten Beginn der Schutzfrist), hat sich die Krankenkasse die dem Arbeitgeber vorliegende Bescheinigung (auch als Kopie ausreichend, wenn diese von der Krankenkasse oder einer anerkannten Stelle beglaubigt wird) zu besorgen und dann diese für die Berechnung des Anspruchszeitraumes zugrunde zu legen. Dadurch wird vermieden, dass
- die arbeitsrechtliche Schutzfrist bereits beginnt, ohne dass Mutterschaftsgeld gezahlt wird, oder
- der Anspruch auf das Mutterschaftsgeld vor Beginn der Schutzfrist beginnt, aber das Mutterschaftsgeld wegen des aufgrund der Arbeitsleistung erzielten ...